370 Zeitalter der Revolution.
hatte jetzt zu seinen andern Gewaltthaten die Verfolgung der Kirche ge-
fügt und das Maß voll gemacht; die göttliche Gerechtigkeit war von
ihm herausgefordert.
Der Zwist mit seinem Bruder Ludwig bewies der Welt, daß er
auch in seinen Blutsverwandten nur Knechte haben wollte und daß er
sie unbedenklich opfere, wenn sich dieselben gegen die unwürdige Rolle
sträubten. Dies vollendete die Ueberzeugung, daß der große Krlegs-
meister der ärgste Despot war, der seit den römischen Cäsaren die Geißel
über Europa geschwungen.
Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Rußland. Vernadotte wird Kronprinz von Schweden.
Nach dem Frieden von Tilsit hielt Alerander vorerst zu Napoleon und
vergrößerte sein Reich, zwar nicht in dem Umfange wie Napoleon, deß-
wegen aber auch um so dauernder. Es ist bereits angegeben, wie es
Alerander nicht verschmähte im Tilsiter Frieden sich von Napoleon auf
Kosten des gedemüthigten Preußen den Bialhystocker Kreis geben zu
lassen; im Kriege von 1809 nahm er als Napoleons Bundesgenosse
nur mit einer geringen Macht Antheil, weil dieser Krieg die Polen
wieder unter die Waffen rief und eine Vereinigung des österreichischen
Polen mit dem Großherzogthum Warschau für das russische Polen die
größte Gefahr bereitet hätte. Im Wiener Frieden erhielt Rußland
jedoch den Tarnopoler Kreis von Oesterreich, und Napoleon beurkundete
dadurch abermals, daß er an die Wiederherstellung Polens nicht denke.
Dies war auch der größte Gewinn, welchen Rußland aus seiner Allianz
mit Napoleon zog; es wäre 1807 in Napoleons Macht gestanden, das
ganze polnische Reich wieder herzustellen und Rußland eine Schranke zu
setzen, die es nicht so leicht mehr gebrochen hätte, aber er haßte alle
nationale Erhebung bei andern Völkern; da er selbst Italien und Deutsch-
land in Stücke riß und Spanien und Portugal ganz verschlingen wollte,
so konnte er, der Verstümmler und Vernichter der Nationen, die pol-
nische Nation nicht wieder herstellen, ohne seine eigenen Thaten vor der
Welt zu verurtheilen. Darum hielt er sich an die zweideutige Freund-
schaft Rußlands und opferte derselben Polen.
Kaum geringer war ein anderer Vortheil, den Rußland aus der
Allianz mit Napoleon zog; dieser ließ ihm freie Hand gegen Schweden.
Gustav IV., seit 1796 regierender König von Schweden, war Napo-
leons erbittertster Feind; dabei mangelte es ihm aber noch viel mehr
als seinem Vater Gustar III. an der Klarheit des Blickes in die Welt-