30 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
Viertes Kapitel.
Die Wiedertäufer.
Kaum hatten Luther und Zwingli angefangen zu predigen, als auch,
wie schon oben gesagt wurde, viele andere Männer aufstanden, welche
die christliche Freiheit benutzten um in der Bibel zu forschen; diese fan-
den zum großen Zorne der Reformatoren noch viel mehr in der Bibel
als sie und wollten ein noch besseres Christenthum herstellen. Sie pre-
digten Gemeinschaft der Güter, einen christlichen Staat, in dem es keine
Reichen und keine Armen, keine Geistlichkett und keine Laien, keine Obrig-
keiten und keine Unterthanen mehr geben sollte. Den Anfang hatte
Thomas Münzer gemacht; andere trieben ihr Wesen um St. Gallen,
Basel und am Zürichsee. Zwingli und Oekolampad disputierten mit
ihnen, aber sie konnten nichts abbringen und mußten sich tönendes Erz
und klingende Schellen, ja sogar „Päpstlein“ nennen lassen, die ein neues
Joch auflegen wollten. Diese „Schwarm= und Rottengeister“ hielten bei
St. Gallen nächtliche Versammlungen, wo sie in neuen Sprachen redeten,
die Kleider wegwarfen und wie verrückte Menschen thaten. Eine Masse
Volkes, Männer, Weiber und Kinder, liefen aus den Häusern, andere
warfen Geld, Kostbarkeiten und Hausrath zu den Fenstern hinaus; ein
Weibsbild hielt sich für den Heiland, eine andere für die babylonische
Hure. Ein Lautenspieler, Thomas Schucker in St. Gallen, schlug seinem
Bruder Leonhard das Haupt ab als dem Opferlamm für die Sünden
der Welt. Der Unsinnige wurde eingezogen und hingerichtet, andere
in's Gefängniß geworfen und ausgepeitscht, in Zürich aber einer der
Anführer, Felir Manz, in der Limmat ersäuft. (Mergatur, qui iterum
mergit, sprach Zwingli.) So wurde der Wiedertäuferei in diesen Ge-
genden ein Ende gemacht, denn Katholiken und Reformierte waren überein
gekommen, „solch unchristlich Vieh nit zu dulden“.
Auch in andern deutschen Gegenden, in Schwaben, Franken, Bayern
und Thüringen hatten die Wiedertäufer großen Anhang gefunden und
geschlechtliche Ausschweifungen in ihren Kult aufgenommen; sie wurden
aber überall mit Strenge verfolgt und größtentheils ausgerottet, nur zu
Münster in Westfalen gewannen sie die Oberhand und trieben daselbst
ihr Wesen auf den Gipfel. Aus dieser Stadt hatte Rottmann, ein
lutherischer Prediger, den katholischen Klerus hinansdisputiert; die Stadt
trat über und empörte sich gegen ihren Fürstbischof (1532). Später
kamen wiedertäuferische Prediger und disputierten Rottmann auf ihre
Seite und nun wurde die Stadt der Schauplatz eines Treibens, das
kaum glaublich scheint. Abwechselnd wurde alles vom Geiste ergriffen,
Männer, Weiber und Jungfrauen; sie tanzten nach alter lustiger Weise