Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

412 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
einmal von den Türken erlöst zu werden sprach sich in den Prophe- 
zeiungen aus, die unter dem Volke verbreitet waren und durch die 
sichtbar zunehmende Schwäche des osmanischen Reichs als bestätigt er- 
schienen. Die Kraft der Osmanen war durch Prinz Eugen in ihren 
Grundfesten erschüttert worden, und wenn auch der Kaiser den von 
Eugen vorgezeichneten Weg, welcher an das schwarze Meer geführt 
hätte, verließ und den Türken seinerseits Erholung gewährte, so drängte 
Rußland seit Peter I. um so entschiedener gegen das schwarze Meer, 
das Pfand der Herrschaft über Kleinasien und die unteren Donauländer. 
Rußland rückte auf Kosten der Türkei an die Mündungen des Kuban, 
des Don, des Dnieper, Dniester, bis an den Pruth und die Donau 
vor, in Asien über den Kankasus bis an den Phasis und Kur und stei- 
gerte durch jeden neuen Krieg die Schwäche der Pforte. Durck die 
Unterwerfung der Tataren in der Krim und nagaischen Steppe erlitt 
die türkische Militärmacht einen unheilbaren Schlag, indem sie jene 
leichte Reiterei verlor, welche bisher die Schwärme der russischen Kosa- 
saken unschädlich gemacht hatte; auch das ehemals so gefürchtete Fuß- 
volk der Janitscharen zeigte sich der neuen Taktik und Bewaffnung, die 
Rußland durch deutsche Offiziere empfangen hatte, immer weniger ge- 
wachsen, und der Versuch, das türkische Heer nach christlichem Muster 
zu organisieren, kostete 1807 dem edlen Sultan Selim III. Thron und 
Leben. Sein Nachfolger Sultan Mahmud II. verlor zwar im Frie- 
den von Bukarest an Rußland nur einen kleinen Landstrich, aber 
Rußland sorgte dafür, daß es über die Türkei eine Art von Oberhoheit 
behielt. Dies geschah durch die russische Schutzherrlichkeit über die der 
Türkei tributpflichtigen Donaufürstenthümer, besonders aber durch das 
im Frieden von Kutschuk Kainardsche (1774) gewonnene und in 
jedem späteren Friedensschlusse bestätigte Recht des russischen Kaisers, 
kraft dessen er darüber wacht, daß die griechische Kirche in der Türkei 
in ihren Privilegien nicht beeinträchtigt werde. Dadurch erschien der 
russische Kaiser den Griechen als der natürliche Beschützer uud künfiige 
Erlöser, und er selbst hatte zu jeder Zeit, wann er es für gut fand, 
einen Anlaß, der Türkei einen neuen Stoß zu geben; wie sollte es näm- 
lich bei dem rohen Fanatismus der Türken jemals an Gewaltthätigkeiten 
gegen die Griechen fehlen? Rußland hatte in seinen Kriegen gegen die 
Türken noch jedesmal die Griechen gegen die Türken aufgerufen, 1770 
sogar die peloponnesischen, jedesmal aber im Frieden die Griechen den Tür- 
ken thatsächlich preisgegeben; die barbarische Rache der letzteren machte sie den 
Griechen nur um so verhaßter und diese vergaßen darüber, daß Rußland 
sie verlassen hatte, und hofften um so mehr von der Zukunft, auf welche 
sie von den russischen Agenten vertröstet wurden; auch ermangelte der 
russische Hof niemals, den Griechen Zeichen seiner Sympathie zu geben
	        
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