Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Die Tuürkei. 435 
30. Juni und 2. Juli, nahm das wichtige Erzerum am 9. durch Ka- 
pimlation und rückte gegen Trapezunt vor. Diese Nachrichten bestimmten 
den Sultan zum Frieden, noch mehr aber der sich in Konstantinopel 
zeigende Geist des Volkes. Statt in das Feld zu rücken und die 30,000 
Russen unter Diebitsch zu vernichten, verschworen sich die Türken alle 
Christen zu ermorden, das Land zur Wüste, Konstantinopel zum Schutt- 
haufen zu machen und nach Asien zurückzukehren. Natürlich wäre der 
Sultan das erste Opfer geworden, daher gelang es dem preußischen 
Gesandten, General von Müffling, den Frieden zu vermitteln, der am 
14. September zu Adrianopel abgeschlossen und am 27. von dem 
Sultan unterzeichnet wurde. Die Pforte zahlte 10 Millionen hollän- 
dische Dukaten Kriegskosten, räumte alle moldauische und walachische 
Festungen, welche von den Russen geschleift wurden, gab Serblen die 
stritiigen 6 Bezirke zurück, anerkannte die selbstständige Verwaltung, 
Justiz und Gesetzgebung in Serbien und den Donaufürstenthümern und 
begnügte sich neben dem Bestätigungsrechte der Fürsten mit einem Tribute. 
Die Handelsvortheile der Russen in der Türkei wurden aberwals ver- 
brieft, deßgleichen das russische Schutzrecht über die türkischen Unterthanen 
griechischer Religion, endlich die Unabhängigkeit von Hellas anerkannt. 
Die territorialen Abtretungen waren dem Raume nach unbedeutend; 
mit dem Donaudelta aber erhielt Rußland die Herrschaft über diesen 
Strom, dessen Mündungen seitdem immer mehr verschlammten, mit Anapa 
und Poti am südlichen Fuße des Kaukasus die Mittel, die unabhängigen 
Kaukasier vom Meere abzuschließen, auf welcher Seite sie allein noch 
Unterstützung erhalten konnten, mit Achalzik endlich gewann es eine sichere 
Operationsbasis gegen Erzerum. Die Engländer ergrimmten über die- 
sen Frieden, konnten aber die Lage der Dinge nicht ändern, die sie selbst 
in die Hand des russischen Kaisers gegeben hatten. 
Durch die Losreißung Griechenlands und den Krieg mit Rußland 
war für die Auflösung des osmanischen Reichs mehr geschehen, als durch 
alle frühern Niederlagen in Ungarn und Bessarablen seit der Zeit So- 
lymans des Großen; der Glaube der Osmanen an die längere Dauer 
ihrer Hertschaft in Europa und an die Chalifenwürde ihres Sultans 
war auch so erschüttert, daß bereits um diese Zeit Prophezeiungen im 
Munde des Volkes waren, denen zufolge 1853 Stambul den Ungläu-- 
bigen wieder in die Hände fallen würde, nachdem es den Moslemin die 
400 durch Allahs Rathschluß bestimmten Jahre angehört hätte. Noch 
lagen die Russen in den Donaufürstenthümern, die sie bis zur Abzah- 
lung der Kriegskontribution vertragsmäßig besetzt halten durften, als 
in Albanien, Bosnien, Makedonien, in Kleinasien, Aleppo und Bagdad 
Empörungen ausbrachen. Diese wurden jedoch von Reschid Pascha 
glücklich gedämpft. Am meisten machte ihm Mustafa Pascha von 
28“
	        
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