Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

446 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
Fabrikanten mit ihren Tausenden von Arbeitern, der bis in die neueste 
Zeit gedauert und mit dem Siege der letzteren geendigt hat. Die 
Partei der Whigs, welche seit 1803 nie mehr als einmal und vor- 
übergehend das Staatsruder geführt, aber immer eine lebhafte Opposi- 
tion unterhalten hatte, machte zunächst nicht die Kornbill zum Angriffs- 
punkte, sondern benützte vorläufig die äußere Politik und gelegenhettliche 
Blößen der Gegenpartei. Ein solcher Anlaß bot sich, als Georg IHII. 
den 29. Januar 1820 hochbetagt starb und sein Sohn, der bieherige 
Prinzregent, als Georg IV. den englischen Thron bestieg. Dieser 
haßte seine Gemahlin Karoline, eine geborene Prinzessin von Braun- 
schweig, und wollte von ühr geschieden sein, was nach englischen Ge- 
setzen nur durch einen Prozeß vor dem Hause der Lords geschehen 
konnte. Die Minister brachten eine Anklage der Königin wegen un- 
ehrenhaften Privatlebens vor das Parlament und damit vor das eng- 
lische Volk; die Whigs ergriffen augenblicklich die Partei der Angeklagten, 
der Unwille des Volks sprach sich namentlich in London so stark gegen 
die Minister aus, daß sie den Prozeß fallen ließen und somit eine ent- 
schiedene moralische Nlederlage erlitten, von der sie sich nie mehr er- 
holten. Dazu kam die unleugbare Thatsache, daß die Angelegenheiten 
Europas auf den Kongressen zu Aachen, Troppau und Latbach geschlichtet 
wurden, ohne daß England ein großes Gewicht in die Wagschale legen 
konnte, um so weniger, als die Torys den revolutionären Bewegungen 
in Spanien, Portugal und Italien aus Grundsatz abhold waren, ob- 
wohl sie es in dem Parlamente nicht offen gestehen durften. Die Lage 
des Ministeriums war deßwegen eine so wenig erfreuliche, daß die Torys 
es für gut fanden, nach Kastlereaghs Tode (der sich den 22. August 
1822, als er zum Kongreß nach Verona abgehen sollte, auf seinem Land- 
sitze entleibte) den Georg Kanning in das Ministerlum aufzunehmen. 
Mit dem Eintritte dieses Mannes trat ein Wendepunkt in der innern 
und äußeren Politik Englands ein. Für jene wurde die „Emancipation 
der Katholiken“ das Schlagwort, mit welchem die Whigs unter Kan- 
nings Auspicien die Reformbewegung begannen. Irland war bekannt- 
lich von König Heinrich II. unterworfen, von der Königin Elisabeth, 
Kromwell und Wilhelm III. aber niedergetreten worden. Die Katholiken 
durften gesetzlich keine Geistlichen, keine Kirchen, keine Schulen haben, 
kein bürgerliches Amt begleiten, konnten weder im Heere noch auf der 
Flotte Offiziere werden, mußten doppelte Grundsteuer bezahlen, durften 
kein Grundstück durch Kauf erwerben, der Uebertritt zur katholischen 
Kirche sollte als Hochverrath bestraft werden! Neunundvierzig Fünfiig= 
theile des Grundbesitzes in Irland waren 6 Millionen katholischen Iren 
entrissen und einigen Hunderttausend eingedrungenen Engländern über- 
tragen worden; jene Millionen mußten ihren Lebensunterhalt als Pächter
	        
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