460 Die Zeit von 1815 bis 1847.
eine europdische Frage dennoch durch das Schwert gelöst werden muß,
so liegt die Entscheidung bei dem deutschen Bund, der mitteleuropäischen
Großmacht. In der That wurde durch den deutschen Bund, dessen aus-
wärtige Politik keine andere sein konnte, als die, welche Oesterreich und
Preußen als europäische Großmächte verfolgten, der Frieden eine lange
Reihe von Jahren aufrecht erhalten, und seit vielen Jahrhunderten hat
Deutschland in die Wagschale der Weltpolitik kein solches Gewicht mehr
gelegt als seit 1815, aber in allen andern Beziehungen erfüllte der Bund
auch die bescheidensten Erwartungen keineswegs. So wurde 1816 das
ehemalige Herzogthum Sachsen-Lauenburg an Dänemark abge-
treten, gewissermaßen zur Entschädigung für das von demselben an
Schweden verlorene Norwegen, eine Praris, die sehr lebhaft an den
Frieden von Luneville erinnerte, in welchem das niedergeworfene Reich
dem Erbstatthalter von Holland und dem Herzog von Modena Ersatz
gab für das, was diese ausländischen Herren an die französische Repu-
blik verloren hatten. Bis zur untern Elbe durfte sich Dänemark aus-
dehnen, dessen Handelspolitik seit vielen Jahrhunderten eine gegen
Deutschland feindselige ist, dessen frühere Bedeutung als Handelsmacht
hauptsächlich auf dem Ruin des hanseatischen Handels (der deutschen
Handelsstädte an der Ost= und Nordsee) gegründet war, das den See-
handel der deutschen Ostseehäfen durch seinen Sundzoll nach Möglich-
keit lähmte. Dänemark wurde durch Lauenburg und Holstein Mitglied
des deutschen Bundes, und doch ist dasselbe durch den Verlust Norwe-
gens, den Lauenburg nicht von ferne ersetzt, so geschwächt worden, daß
es nicht mehr in die Reihe der Staaten gehört, welche eine selbststän-
dige politische Haltung behaupten können, sondern es hat seitdem nur
die Wahl gehabt, ob es sich mehr auf Rußland oder mehr auf Eng-
land stützen wollte. Naturgemäß wäre Dänemark an Deutschland als
Rückhalt gewiesen, allein dies hinderte, abgesehen von der Eifersucht der
andern europäischen Mächte, der krankhafte Nationalstolz der Dänen, der
ihnen den Gedanken des Anschlusses an Deutschland unerträglich, aber
den, ihre Schwäche auf Kosten Deutschlands zu heilen, alltäglich machte.
Holstein und Dänemark gehörten durch Personalunion zusammen, wie
einst England und Hannover, doch diese bewahrten gegenseitig ihre eige-
nen Gesetze und Rechte, Holstein aber wurde gegen dänische Uebergriffe
nicht gesichert, obwohl es dem deutschen Bunde zugetheilt wurde und
die dänischen Versuche, dasselbe ihrem Gesammtstaate förmlich einzuver-
leiben, vorauszusehen waren.
Im Jahre 1816 bestätigte König Friedrich VI. von Dänemark
die Privilegien Holsteins, aber schon 1822 gab die holstetnische Ritter-
schaft beim Bundestage in Frankfurt eine Beschwerde gegen dänische
Uebergriffe ein, auf welche derselbe mit einer Inkompetenzerklärung ant-