Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

462 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
Dagegen wurden die deutschen Staatsmänner durch die deutschen 
Universitäten, deren Professoren und Studenten und die landständischen 
Verfassungen, die sogenannten Charten, um so mehr in Anspruch ge- 
nommen. 
Als das tlef erniedrigte Preußen nach dem Frieden von Tilsit 
(1807) seine Wiedergeburt durch die Verbesserungen der Staats= und 
Kriegseinrichtungen vorbereitete, entstand zu Königsberg ein Verein von 
20 Männern zur sittlichen Hebung des Volks durch Wort und Beispiel, 
um dadurch, und dies war der eigentliche Zweck, eine allgemeine Volks- 
erhebung gegen die Franzosenherrschaft einzuleiten. Dieser „„sittlich- 
wissenschaftliche Verein", der später den Namen „Tugendbund“ an- 
nahm, dehnte sich über ganz Preußen und Norddeutschland aus und 
zählte hochgestellte Militärs und Beamte unter seinen zahlreichen Mit- 
gliedern; die Statuten wurden von den Vorstehern des Vereins der 
preußischen Regierung mitgetheilt, die französische Polizei aber witterte 
den Bund alsbald, ein aufgefangener Brief des Ministers von Stein 
an den Fürsten Wittgenstein lieferte ihr den Beweis und der Zug Fer- 
dinands von Schill (1809), der ein offenkundiges Mitglied des Bundes 
war, ließ sie über den Kern des „sittlich-wissenschaftlichen Vereins“ nicht 
länger im Zweifel; Napoleon diktierte hierauf der preußischen Regierung 
das strenge Verbot des Vereins. Derselbe bestand aber dennoch fort, 
wenn auch nicht mehr als eine organisierte Verbindung; denn der Haß 
gegen die übermüthigen Fremdlinge und der ernste Wille, dieselben ein- 
mal aus dem Lande zu jagen, vereinte überall Gesellschaften mit dem 
Zwecke des Tugendbundes. Dagegen ist es sehr zweifelhaft, ob während 
des Befreiungskrieges und unmittelbar nach demselben noch Gesellschaften 
von Tugendbündlern bestanden, und jedenfalls hat der Staatsmann 
nichts Gutes bewirkt, der zwei deutsche Professoren (1815 Dabelow 
in Göttingen, 1816 den Gehelmen Rath Schmalz in Berlin) gegen 
den Tugendbund losließ, der von diesen Herren als noch bestehend und 
jakobinischer Natur bezeichnet wurde. Denn die Regierungen mußten 
doch durch die Polizei von dem Bestehen eines Geheimbundes mehr 
wissen, als die beiden Kathedermänner, und sie mußten alsdann, da jede 
Geheimbündlerei mit der Staatsordnung unverträglich ist, eine derartige 
Verbindung kraft des Gesetzes unterdrücken; wozu frommte es nun, auf 
die Lärmtrompeten der beiden Herren zu warten und das ganze deutsche 
Publikum allarmieren zu lassen? Dabelow fand seines Bleibens in Göt- 
tingen nicht ferner, dafür eine Anstellung an der russischen Universität 
Dorpat, gegen Schmalz aber eröffneten Männer wie Niebuhr, Schleier- 
macher, Rühs, Krug 2c. eine förmliche kritische Hetzjagd, in welche das 
Halloh des Publikums einstimmte, bis der König von Preußen dem 
Skandal durch Kabinetsbefehl ein Ende machte und das Verbot des-
	        
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