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nen Voltaires dadurch ein Kompliment gemacht, daß ein Artikel der
alten Charte, welcher die katholische Religion als die Staatsreligion be-
zeichnete, in die Phrase abgeändert wurde: „die katholische Religion ist
die Religlon der Mehrzahl der Franzosen.“ Mit diesen Thaten der
Deputiertenkammer und Louis Philipps I. war weder das gemeine Volk
in Paris und in den andern großen Städten, noch die Jugend befrie-
digt, und selbst in der Deputiertenkammer schied sich eine Fraktion aus,
die sich in eine sogenannte dynastische Opposition, welche dem Julithron
eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Kammer zur Seite geben
wollte, und in eine jedoch nur schwach vertretene republikanische theilte.
In der Nation selbst bildete sich eine große republikanische Partei, gleichfalls
in zwei Schattierungen: die eine, deren Blatt der National war, wollte
die Republik allmählig herbeiführen, indem das Volk, gehörig aufgeklärt,
endlich zur Ueberzeugung gelangen werde, daß seine Wünsche nur in der
Republik erfüllt werden könnten; die andere wollte mit dem Bürger-
königthum nicht so viel Federlesens machen, sondern dasselbe bei der
nächsten besten Gelegenheit durch Gewalt stürzen. Die republikanische
Partei stützte sich auf die Arbeitermassen in den großen Städten, zunächst
in Paris, durch die noch alle Revolutionen seit 1789 ausgeführt wur-
den, und sie organisierte zahlreiche geheime Verbindungen, die alle nur
auf eine Gelegenheit warteten, um Louis Philipp sammt den liberalen
Steuermännern, die unter Karl X. in der Kammer als Opponenten
geglänzt hatten, über Bord zu werfen. Die Thätigkeit dieser Vereine
zeigte sich sehr bald, zuerst bei dem Prozesse der Minister Karls X.,
welche die Pairskammer wegen Verfassungsverletzung zu mehrjährigem
Gefängniß verurtheilte; sie wurden durch die Nationalgarde der Volks-
rache entrissen und nach Ham in Haft gebracht, für diese Großmuth
aber ärntete die Regierung das Gerede, sie würde die Hochverräther
nicht gerettet haben, wenn sie nicht selbst dasselbe schlechte Gewissen hätte.
Ein Aufstand der Arbeiter in Lyon (Nov. 183 1) hatte trotz seiner Aus-
dehnung keine ernsten Folgen und die Regierung leitete viele unruhige
Köpfe dadurch ab, daß sie dieselben den portuglesischen und spautschen Wer-
bungen überließ, für auswärtige Flüchtlinge die Fremdenlegion errichtete
und dieselbe in Algier verbrauchte. Das Leichenbegängniß des Generals
Lamarque am 6. Juni 1832 wurde von den Republikanern zu einem
Hauptschlage benutzt, der aber vollständig mißlang; kein besseres Schicksal
hatte ein furchtbarer Aufstand der Arbeiter zu Lyon (5. bis 14. April
1834) und ein gleichzeitiger, jedoch wenig bedeutender zu Paris und in
einigen andern Städten. Seitdem wagte die republikanische Partei nur
1839 noch einen Versuch zu Paris, griff aber den König durch Meuchel-
mord ein um das andere mal an (19. Nov. 1832; 28. Juli 1835
Fieschis Höllenmaschine; 25. Juni 1836 Alibaud; 27. Dez. Meunier),