Steigendes Zerwuͤrfniß in Deutschland. 37
ihm ein glücklicher und folgenreicher Streich gegen den Kaiser. Es ist
oben gesagt worden, daß der wilde Herzog Ulrich von Wirtenberg 1519
durch den schwäbischen Bund aus seinem Lande vertrieben wurde, weil
er die Reichsstadt Reutlingen weggenommen hatte; Wirtenberg überließ
mun der Bund an Ferdinand von Oesterreich gegen Ersatz der Kriegs-
kosten. Dies erregte aber die Eifersucht der Fürsten, welche eine solche
Vergrößerung Oesterreichs sehr ungerne sehen mußten, besonders der
bayerischen, denn Ulrichs Sohn Christoph, der in Italien von Oester-
reich gehütet wurde, hatte eine bayerische Prinzessin zur Mutter, und
ohnehin war Bayern immer der eifersüchtige Wächter über die Eutwürfe
Oesterreichs. Mit Ulrich hätten es die meisten Fürsten nicht versucht,
weil er durch seine Verschwendung und Wildheit in Wirtenberg selbst
alle Zuneigung verloren hatte, darum verhalfen sie dem Herzog Chri-
steph zur Flucht. Besser jedoch rechnete der Landgraf von Hessen, der
wohl wußte, daß Oesterreichs Herrschaft in Wirtenberg wegen des Drucks
und Uebermuths, den sich die österreichischen Beamten erlaubten, noch
unbeliebter war als die des vertriebenen Herzogs. Mit französischem
Gelde warb er ein Heer und fiel mit Ulrich 1534 in Wirtenberg ein.
Bei Laufen am Neckar besiegte er den österreichischen Statthalter und
unterwarf das ganze Land ohne viele Mühe, namentlich weil die Bauern
von einem Aufgebote gegen den Herzog nichts wissen wollten. Ferdi-
nand, der weder Truppen noch Geld hatte (auch der Papst gab ihm
keines) und im Osten mehr als genug beschäftigt war, gab in dem
Vertrage von Kadan Wirtenberg an Ulrich und seinen Stamm zu-
rück, und dieser reformierte nun das Land sammt der Universität Tü-
bingen. Diesem Beispiele folgte Baden-Durlach; dadurch war die
Reformation im südwestlichen Deutschland gesichert und Tübingen wurde
die Metropole des Protestantismus in Süddeutschland. Zwar bildete
sich gegen den auf diese Weise erweiterten Bund von Schmalkalden ein
katholisches Bündniß zwischen den Herzogen von Bayern, den
Erzbischöfen von Mainz und Salzburg, den Herzogen Georg von
Sachsen (Meißen) und Heinrich von Braunschweig (1538);
der Kaiser untersagte jedoch alle Feindseligkeiten und gewährte auch den
seit dem Nürnberger Frieden (1532) in das schmalkaldische Bündniß
eingetretenen Fürsten und Städten den Aufschub der Reichsprozesse, den
sogenannten „Frankfurter Anstand“, was die Sache der Prote-
stanten sehr förderte. Denn um diese Zeit (1539) starb Georg von
Sachsen, ein ehrenfester Charakter und kräftiger Vertheidiger des alten
Glaubens, worauf dessen Bruder Heinrich sogleich die Reformation ein-
führte und Luther an Pfingsten in Leipzig predigte. Gleichzeitig trat
das brandenburgische Haus über und in den schmalkaldischen Bund,
als Kurfürst Joachim I., ein eifriger Katholik, gestorben war. Diesem