490 Die Zeit von 1815 bis 1847.
Nach dem Falle Warschaus war der Krieg bald beendigt; die 3
polnischen Korps: 30,000 bei Modlin, 18,000 unter Ramorino zwischen
Weicksel und Bug, 12,000 unter Rozycki konnten sich nicht mit einan-
der vereinigen, und nach einigen Hin= und Hermärschen gingen die ersten
über die preußische, die beiden andern über die ssterreichische Gränze;
Modlin ergab sich den 9., Zamosk den 23. Oktober, vielleicht 8000 Po-
len, die Hälfte davon Offiziere, wanderten aus und wandten sich größten-
theils nach Frankreich. Bei ihrer Durchreise wurden sie in dem südwest-
lichen Deutschland als die „Helden der Freiheit“ gefeiert und mehr als
einen polnischen Offizier hörte man es unumwunden aussprechen: „Wir
haben keine Hoffnung als neue Revolutionen; Frankreich wird Louis
Philipps Herrschaft nicht lange ertragen, und knallt es einmal wieder
in Parls, so erhebt sich Ungarn, wenn Kaiser Franz bis dahin gestorben
ist; denn nur seinetwegen ist die ungarische Opposition bisher nicht weiter
gegangen."
Kaiser Nikolaus benutzte seinen Sieg um die Elemente eines künf-
tigen Aufstandes zu beseitigen. Im Februar 1832 wurde Polen Ruß-
land einverleibt, so daß von dem ehemaligen Königreiche außer dem
Namen nichts mehr übrig blieb; Alle, die freiwillig an dem Ausfstande
Theil genommen hatten, verloren ihre Güter, von denen die meisten
russischen Generalen und Offizieren als Belohnung gegeben wurden, so
daß der Grundbesitz in Polen größeren Theils in russischen Händen ist.
Die Universitäten in Wilna und Warschau wurden aufgehoben, die Zög-
linge der Kadettenhäuser und die Militärwaisen nach Petersburg versetzt;
russische Beamte nahmen alle Stellen von Bedeutung ein; eine Armee
von 80,000 Mann bewachte die neue Ordnung, fortwährende Rekrutie-
rungen führten die wehrbare Mannschaft in die russische Armee und nach
dem Kaufkasus, so daß ein glücklicher Aufstand in Polen selbst unter den
günstigsten Umständen zur Unmöglichkelt geworden ist. Endlich entreißt
die Politik Rußlands Polen die letzte Handhabe seiner Nationalität, den
katholischen Glauben, indem es die Hälfte der katholischen Kirchen den
Russen ganz einräumt, überall den Bekennern der russisch-griechischen Re-
ligion Antheil an den katholischen Kirchen gibt, 1839 aber durch einen
Federstrich 3—4 Millionen unierter Griechen in den ehemals polnischen
Provinzen der russisch-griechischen Kirche einverleibte und einen Bischof
Paulowski zum Metropoliten aller Katholiken in Rußland ernannte;
daß die Allokution des Papstes Gregor XVI. am 22. November 1839
eine Aenderung dieses Ganges, alle katholischen Bewohner des russischen
Reiches allmählig der russisch-griechischen Kirche zuzuführen, bewirkt hätte,
davon ist nichts bekannt geworden.
So lange Polen noch eigene Verfassung und eigenes Militär hatte,
so lange die katholische Kirche den nationalen Gegensatz zwischen Russen