Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Deutsche Zustaͤnde. 495 
die Regierung nieder. Zu einzelnen Tumulten gab da und dort die 
Cholera Veranlassung, indem bei dem gemeinen Volke der Wahn einwur- 
zelte, die Krankheit werde absichtlich verbreitet, um das Proletariat etwas 
zu verdünnen. Der Fall von Warschau kühlte in Deutschland das Ge- 
lüste nach Aufständen beträchtlich ab; auch in konstitutionellen Staaten 
wurden die Zügel wieder straffer angezogen, manche höhere und niedere 
Diener der Staatsgewalt, die in der Verblüffung über das Revolutio-= 
nieren und Krawallieren gegen jedermann höflich geworden waren, fan- 
den sich allmählig wieder in ihre frühere Manier zurück und hielten sich 
durch einen geräuschvollen Amtseifer für die überstandene Zeit der Ver- 
zagtheit schadlos. Dies hinderte jedoch nicht, daß die brütende Gährung 
in Frankreich über den Rhein herüberwirkte; wie die französischen Revo- 
lutionäre von Charte und Bürgerkönigthum nichts wissen wollten, so 
wurde auch der konstitutionelle Liberalismus in Deutschland mehr und 
mehr diskreditiert und die geheimen Verbindungen, die sich jetzt bildeten, 
hatten bereits die Republik zum Ziel und lehnten an die französischen 
Verschwörungen an. Eine revolutionäre Demonstration, die am 27. Mai 
1832 zu Hambach in Rheinbayern von ungefähr 20,000 Menschen 
aufgeführt wurde, gab dem Bundestage zu scharfen Gesetzen gegen 
Versammlungen, Vereine, Zeitungen u. s. w. Veranlassung und mit dem 
wahnsinnigen Frankfurter Attentate am 3. April 1833 endigte 
das deutsche Nachspiel der Jultrevolution. Dasselbe hatte aber man- 
ches Gefängniß mit politischen Verbrechern gefüllt und noch mehr 
waren in die Schweiz, nach Frankreich und Belgien geflüchtet, und diese 
organisierten nun nach dem Beispiele des jungen Italiens eine Ver- 
schwörung, die sich von den bisherlgen Geheimbünden, z. B. der Bur- 
schenschaft, wesentlich dadurch unterschied, daß sie nicht unter den sog. 
Gebildeten, sondern vorzugsweise unter den Handwerkern und Fabrik- 
arbeitern ihre Werbungen betrieb und solchen Köpfen unter denselben, 
die schlan und verwegen genug schienen, Hauptrollen zutheilte. Der 
deutsche Liberalismus wie der französische hatte sich mit der höheren 
Schichte des dritten Standes verschmolzen und hegte die konstitutionelle 
Monarchie als sein Ideal; er wollte hauptsächlich in den Ständekam- 
mern, durch die Presse und die Schule wirken, die jetzt aufstrebende 
Partei aber wollte eine absolut demokratische Republik, sie suchte ihre 
Stütze in dem Proletariat und begann einen geheimen Krieg gegen alles 
Bestehende, gegen die bürgerliche und gesellschaftliche Ordnung sowohl 
als gegen die christliche Religion. Der deutsche Liberalismus feierte in 
den ersten Jahren nach 1830 noch einige Triumphe in den Stände- 
kammern, die aber, weil sie keine Frucht trugen, eine um so größere 
Verödung in den Gemüthern zurückließen und der republikanischen Partei 
mächtig in die Hände arbeiteten. Bayern, Württemberg, Baden, die
	        
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