Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Marokkanischer Krieg. Abdelkaders Unterwerfung. 555 
Louis Philipps, überfallen und bis auf die Familie des Emirs auf- 
gehoben, der nach mehreren unglücklichen Kämpfen sich wieder über die 
Gränze slüchtete. Natürlich geriethen die dortigen Stämme in große 
Bewegung und Sultan Mulei schickte seinen Sohn mit einiger Mann- 
schaft dahin ab, jedoch mit der Warnung, mit den Christen nicht anzu- 
binden, weil die Moslemin nicht mehr die Alten seien, sondern eher 
weinem Kameele glichen, das in eigensinniger Trägheit seinem Herrn 
nicht gehorchen und sich nicht vom Boden erheben wolle"“. Der junge 
Mann aber traute sich und den Moslemin mehr zu; ohnedies gehörte 
das von den Franzosen besetzte Tlemsen in alter Zeit zu Marokko und 
verlangten die seinem Lager zueilenden Schaaren den Kampf mit den 
Ungläubigen. Gleichzeitig erschien Abdelkader wieder auf algierischem 
Boden, maxokkanische Abtheilungen überschritten die Gränze, erhielten 
aber von Lamoricieère bei Uschda (30. Mai, 1. Juni) und von 
Bugeaud bei Lalla Maghria (15. Juni) derbe Lektionen, welche 
jedoch die fanatische Kriegslust des Hauptheeres nur stelgerten. So sah 
sich Louis Philipp zum Kriege gezwungen, England konnte daher keine 
Einwendungen machen, das von Gibraltar aus mit Sultan Mulei ein 
gutes Einvernehmen unterhielt, der seinerseits nicht weniger als der fran- 
zösische König zum Kriege genöthigt war. Die englischen Zeitungen ver- 
kündigten, der Krieg dürfe nur so lange dauern, bis die kriegerische Hitze 
von Muleis widerspenstigen Unterthanen in so weit abgekühlt sei, daß sie 
das französische Gebiet refpektieren gelernt hätten; daß die marokkanische 
Expedition im Jahre 1844 keine Wendung nehme wie die alglerische 
1830, daß sie nicht zu einer Okkupation führe, dafür werde England dies- 
mal zu sorgen wissen. Zugleich wurde berechnet, für wie viel Pfund Ster- 
ling jährlich englische Waaren nach Marokko eingeführt werden und daraus 
die Schlußfolgerung gezogen, der Krieg dürfe nicht lange dauern, weil die 
englische Industrie eine längere Unterbrechung des Verkehrs mit Marokko 
empfinden würde. Louis Philipp unterstützte den Eindruck, den er von den 
Operationen Bugeauds zu erwarten berechtigt war, durch eine Flotte unter 
seinem Sohne Joinville; dieser schoß am 6. August die Batterieen von 
Tanger zusammen, am 15. Mogador, das fast an der südlichen Gränze 
Marokkos am atlantischen Ocean liegt. Bei der Beschießung von Tan- 
ger stellte sich eine englische Flotte als Zuschauer ein und ein vielge- 
lesenes englisches Blatt brachte einen Bericht von dorther, nach welchem 
die französischen Schiffe es nicht gerathen fanden, sich nahe gegen die 
Batterieen zu legen und eben darum sehr schlecht schoßen; zwar wurde 
dieser Bericht von den englischen Flottenoffizieren alsbald öffentlich als 
umichtig getadelt und selbst lächerlich gemacht (indem es sich heraus- 
stellte, daß ein englischer Schiffskaplan den Zeitungsartikel über die 
Seetaktik der Franzosen und die Tüchtigkeit ihrer Kanoniere geschmiedet
	        
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