Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

566 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
eine Restauration von einer liberaleren Wendung der Politik des französi- 
schen Bürgerkönigs und schaarte sich um den Fürsten Czartoryski, der 
von einer Seitenlinie der Jagellonen stammt, und designierte ihn zum König; 
der größere Theil aber schloß sich den republikantschen Partelen an, indem 
er von der Mattherzigkeit der französischen Liberalen so wenig als von den 
englischen Whigs hoffte und zu der Ueberzeugung gekommen war, daß nur 
durch die gewaltsamste Erschütterung des europäischen Staatengebäudes die 
Wiederherstellung eines polnischen Reiches möglich werde. Diese Partei 
unterhielt von Parls aus einen lebhaften Verkehr mit den Unzufriedenen 
in Russisch-, Preußisch= und Oesterreichisch-Polen; in Paris, als dem 
Hauptquartier der europäischen Revolution, wurden die großen Operatio= 
nen entworfen, Krakau aber war für Polen, was Paris für ganz Eu- 
ropa und überdies zum Stützpunkt der nächsten polnischen Revolution be- 
stimmt. Diese kleine Republik, welche 1815 durch eine Laune der Groß- 
mächte als selbstständiger Staat zwischen Schlesien, Galizien und Russisch- 
Polen hingestellt war und als ehemalige Krönungsstadt der polnischen 
Könige die Hoffnungen auf eine Krönung lebendig erhalten mußte, war 
von 1815—1830 von Beamten geleltet worden, die dem russischen Ein- 
flusse fast unberingt gehorchten; die Warschauer Revolution hatte aber 
eine Bewegung in Krakau zur Folge, durch welche die seitherigen Beam- 
ten entfernt und mit polnisch Gesinnten vertauscht wurden. Krakau unter- 
stützte den polnischen Krieg von 1831 durch Geldopfer und Freiwillige, 
nahm auch viele Flüchtlinge auf, wurde darum nach dem Falle Warschaus 
von dem russischen General Rüdiger besetzt, von den Flüchtlingen gesäubert, 
jedoch von den russischen Truppen bald wieder geräumt. Schon damals 
sollen sich die drei Schutzmächte über die allenfalls nöthige Aufhebung des 
Freistaates verständigt haben und sie warnten die Regierung in den fol- 
genden Jahren zu wiederholtenmalen, als Krakau abermals der Sammel- 
platz vieler Flüchtlinge und der Brenupunkt der revolutionären Entwürfe 
wurde. Die Regierung entschuldigte sich jedoch damit, sie könne der Volks- 
stimmung gegenüber den Weisungen der Schutzmächte nicht entsprechend 
nachkommen, die Propaganda schaltete ungestört weiter und wagte es 1835 
einen gewissen Pawlowski, der ein geheimer Agent der russischen Polizei 
sein sollte, durch Meuchelmord aus dem Wege zu schaffen, ohne daß der 
Thäter entdeckt worden wäre. Die Schutzmächte verlangten darauf im 
Februar 1836 die Entfernung der Flüchtlinge, und als diese dennoch blie- 
ben, weil sie niemand zum Fortgehen zwang, so rückten am 17. Februar 
österreichische, am 20. russische und am 22. preußische Truppen ein, über 
welche insgesammt der österreichische General Kaufmann den Oberbefehl 
erhielt. Als Krakau von Flüchtlingen frei und die Regierungsgewalt durch 
eine Verfassungsänderung gestärkt war, zogen die russischen, preußischen 
und die meisten österreichischen Truppen ab, die letzten österreichischen im
	        
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