Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

576 Die neue Revolutionsperiode. 
als sich in mehreren größeren Städten z. B. in Königsberg durch den 
Divisionsprediger Rupp, in Halle durch den Prediger Wislicenus 2c. 
neue Varteien bildeten, welche dem Positiven der protestantischen Lehre 
vollends absagten und neue Religionsgesellschaften zu bilden die Erlaub- 
niß verlangten, ohne sagen zu können, welches denn eigentlich ihre Re- 
ligion sei. Diese Selbstzerstörung des Protestantismus war indessen den 
meisten deutschen Protestanten zuwider, selbst solchen, die keineswegs 
mehr glaubten als Rupp und Wislicenus, denn sie drohte auch die 
bürgerliche Ordnung zu verwirren, den Glauben des gemeinen Volkes 
an die Reformation, deren Sekularfeier das protestantische Deutschland 
1817 mit Pomp begangen hatte, zu untergraben und die Blicke desselben 
nach der katholischen Kirche zu richten. Deßwegen wurde dieses Treiben 
ziemlich allgemein als ein muthwilliges bezeichnet, dagegen aber das 
Auftreten des Johannes Ronge, der die Wallfahrt der rheinischen Ka- 
tholiken zu dem heil. Rocke nach Trier den 1. Oktober 1844 zu einem 
Absagebrief gegen die Kirche benutzte, mit einem für die Katholiken 
sehr kränkenden Jubel begrüßt. Ronge gab seinem Anhange den Titel 
Deutschkatholiken und die Gegner der katholischen Kirche erwarteten 
nichts Geringeres, als daß er durch den deutschen Katholicismus einen 
Riß von oben bis unten machen werde, daher fand er auch bei seinen 
Wanderungen durch Preußen, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen 
in protestantischen und paritätischen Städten geräuschvollen Empfang und 
allen möglichen Vorschub. Es wurde jedoch bald genug offenbar, daß 
Ronges Deutschkatholicksmus mit der Religion viel weniger zu thun 
habe als mit der Politik, daß es ein Versuch der demokratischen Partei 
sei unter der Firma Deutschkatholiken Verbindungen zu schließen, die 
ihnen die Regierungen sonst aufs strengste verwehrten. Zugleich zeigte 
es sich, daß Ronge bei dem katholischen Volke keinen Anklang fand (in 
Schwaben wurden die faulen Kartoffeln alsbald Ronger geheißen und 
schlechter Kartoffelbranntwein verewigt wahrscheinlich den Namen), wohl 
aber zu Aufläufen die unmittelbare Veranlassung gab, die zum Theil, wie 
der zu Leipzig am 12. Aug. 1845, sehr bedenklicher Natur waren. Die 
Regierungen begriffen, daß es bei den Katholiken als keine leichte Sache 
betrachtet werde, wenn sie Ronge und Konsorten gestatten, frei und von 
der Polizel geschützt umherzuwandern und dem Glauben der katholtschen 
Bevölkerung die offene Feindschaft zu verkünden, während unvorsichtige 
Schwätzer über Verordnungen und Beamte abgefaßt und erklecklich be- 
straft wurden, und die Censur noch mmer unbarmherzig, obgleich selbst 
über ihr Amt verdrießlich, über Zeitblätter und nicht 20ögige Schriften 
schaltete, während endlich ein Priester der katholischen Mission nirgends 
hätte die Kanzel betreten dürfen. Ronges Auftreten schuf demnach in 
doppelter Beziehung nur Uebles; noch tiefer aber drang die Lehre des
	        
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