Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Deutschland am Vorabend von 1848. 577 
vollständigen Unglaubens, der von Frankreich und der Schweiz aus be- 
sonders unter den Handwerkern und Fabrikarbeitern verbreitet wurde. 
Die französische Revolutionspartei, die sich die wahrhaft demokratische 
nannte, hatte die Arbeitermassen in ganz Europa mit ihrem Gewebe zu 
umspinnen gesucht, und theilweise war es nur zu gut gelungen. Sie 
reizte die niedrigen Leidenschaften des Menschen, den Neid gegen Rang, 
Vermögen und Wissenschaft, die Trägheit und thierische Sinnlichkeit, 
bezeichnete aber ihr Trachten nicht mit dem wahren Namen, sondern 
erfand andere gleißende Bezeichnungen, z. B. Organlsation der Arbeit, 
Gleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit, Einsetzung des Menschen in 
seine natürlichen Rechte auf die Genüsse des Lebens u. s. w. Die euro- 
päische Pollzei witterte es wohl, daß etwas anderes gebraut werde als 
Studentenphantastereien und konstitutionelle Doktrinen, sie konnte aber 
nicht beikommen, weil die kommunistischen, socialistischen, demo- 
kratischen Vereine, oder wie sie sich immer nennen mochten, sich so- 
organisiert hatten, daß nicht leicht jemand Zutritt finden konnte, der ihnen 
nicht auch angehören wollte, indem sie ferner keine Statuten u. dgl. auf- 
setzten, keinen Briefwechsel unterhielten, sondern nur durch Vertraute ver- 
kehrten, endlich über ihren letzten Zweck so wenig als möglich sprachen. Schon 
1844 zeigte es sich bei dem Aufstande der Weber in den schlesischen Fabrik- 
orten Langenbielau und Peterswaldau, daß der deutsche Arbeiter sich mit 
dem Gedanken an Aufstände vertraut gemacht habe, 1845 kam man bereits 
einem kommunistischen Verein in Hirschberg und in Posen auf die Spur, 
und da in diesem Jahre sich die Kartoffelfäulniß über ganz Deutschland 
verbreitete und eine Vertheurung der Lebensmittel zur Folge hatte, so 
kamen allmählig Aufläufe und Unruhen an die Tagesordnung, namentlich 
im Jahre 1847, einem eigentlichen Theurungsjahre. Es war kein Hun- 
gerjahr wie das 1817, und doch wie grundverschleden zeigte sich die 
deutsche Bevölkerung damals und jetzt! Wie unheimlich wurde es nicht 
in allen Städten, selbst in kleinen, wie keck forderte man nicht von der 
Regierung und von dem Einzelnen eher mit Drohen als mit Bitten! 
Der deutsche Bund erließ zwar ein strenges Verbot gegen die kommuni- 
stischen Vereine, aber deßwegen dauerten sie doch fort, die Sprache der 
Konstitutionellen wurde ernster und lauter, die Regierungen nachgibiger, 
einzelne versprachen bereits Preßfrelheit, der Streit zwischen Dänen und 
Deutschen wurde in Schleswig-Holstein der Krise immer näher ge- 
bracht, alles deutete auf Umwälzungen hin, der größere Theil der Volkes 
aber freute sich auf sie, die konstitutionelle Partei vielleicht am meisten, 
weil sie sich für stark genug hielt um sich der Bewegung bemächtigen zu 
können; ohnedies glaubte sie Preußens sicher zu sein, weil der König 
vom 11. April bis 26. Juni einen vereinigten Landtag abgehalten hatte. 
Er erklärte sich zwar abermals gegen eine konstitutionelle Chatte- gab 
Bumüller, Neue Zeit. 6. Aufl.
	        
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