Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

586 Die neue Revolutionsperiode. 
noch schlimmer kommen. Die Bevölkerung des von der Natur außer- 
ordentlich gesegneten Ländchens war zur Hälfte katholisch, zur Hälfte 
protestantisch, jedoch so, daß der letztere Theil um etwa 5000 Seelen 
überwog; die Verfassung hatte deßwegen vollständige Parität bestimmt, 
so daß in allen Landesbehörden beide Theile gleich repräsentiert waren. 
Bei Gelegenheit der Revision machte sich eine doppelte Agitation geltend; 
auf katholischer Seite verlangte man Sicherstellung der konfessionellen 
Rechte, namentlich in Betreff der Verwaltung des Kirchenguts, des Un- 
terrichtswesens u. s. w., dagegen wollte der protestantische Theil gerade 
hierin nichts geändert wissen und stimmte mit den Katholiken nur darin 
überein, daß er eine demokratische Erweiterung der Volksrechte verlangte. 
Daran hatte aber der Große Rath kein Wohlgefallen und daher kam es, 
daß die von ihm vorgelegte neue Verfassung am 5. Oktober 1840 bei 
der Volksabstimmung mit 23,095 Stimmen gegen 3171 verworfen wurde. 
Der Große Rath versammelte sich sogleich wieder und brachte in sehr 
kurzer Frist eine neue Verfassung zu Stande, in welcher die Parität der 
konfessionellen Vertretung wegfiel, indem die Mehrzahl der katholischen 
Repräsentanten gegen dieselbe stimmte und nur zwei einläßlich für die- 
selbe zu sprechen wagten. Am 5. Januar 1841 giug die Volksabstim- 
mung in Ruhe und Ordnung vor sich und ergab: in den reformierten 
Bezirken Aarau, Brugg, Kulm, Lenzburg und Zofingen nahm die über- 
wiegende Mehrheit an, in den katholischen: Baden, Bremgarten, Laufen- 
burg, Rheinfelden und Muri verwarf sie; da aber die radikalen Katho- 
liken zahlreicher für die neue Verfassung als die konservativen Protestan- 
ten gegen sie stimmten, so zählten die Annehmenden 15,336, die Ver- 
werfenden 11,454 Stimmen. Dadurch wurde klar: 1. daß die katholischen 
Großräthe nicht im Sinne des katholischen Volks gestimmt hatten, 2. 
daß die neue Verfassung dem katholischen Volke nur aufgezwungen wer- 
den könne, 3. daß der protestantische Aargau dies nur mit der Hilfe 
radikaler Nachbarkantone auszuführen vermöge. Die gargauische Regie- 
rung schritt nun nach dem Muster von Solothurn vor, wozu sie beson- 
ders von dem Regierungsrath Waller, einem Katholiken und radikalen 
Fanatiker, gespornt wurde. Die Häupter des Komités von Bünzen, 
das während der Revisionsbewegung für die Parität gearbeitet, aber 
auch nicht einen ungesetzlichen Schritt gethan hatte, sollten mit Hilfe 
der Gensdarmerie und der radikalen Schutzvereine verhaftet werden. Dies 
geschah am 10. Januar morgens an einem Sonntage zu Bremgarten 
und Muri, an welchen Ort Waller auf sein eigenes Begehren als Re- 
gierungskommissär geschickt wurde. Wegen dieser Verhaftungen vottete 
sich das Volk zusammen, befreite die Gefangenen und sperrte Waller 
sammt den Gensdarmen ein, aber schon am 11. rückten die von der Re- 
gierung aufgebotenen Milizen aus den protestantischen Landesthellen ein,
	        
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