Oeffentliche Meinung in Frankteich. Bethoͤrung der Bourgeoisie. 605
Viertes Kapitel.
Das Jahrl848.
Vergistung der öffentlichen Meinung in PTrankreich. Pethörung der Bourgeoisite.
Der König von Preußen hatte vor den Ständen, die in Berlin
auf seinen Ruf, aber nicht kraft eines Gesetzes, versammelt waren, die
geschriebenen Verfassungen (Charten) Papier genannt, was die Englän-
der nach ihrer nicht eben feinen Weise kommentierten, Louis Philipp
aber zur Veranlassung nahm, um mit eigenem Munde das Lob der
französischen Charte auszusprechen und die Sicherheit der konstitutionellen
Staatsform zu erörtern. Damals war die Agitation gegen sein Regie-
rungssystem bereits sehr lebhaft geworden, jedoch glaubte er so wenig
als irgend ein Mensch an seinen möglichen Sturz; denn Louis Philipp
war ja der König des dritten Standes, der durch seine Zahl, durch
seinen Besitz und durch seine Bildung seit der ersten Revolution die
eigentliche Macht der Nation repräsentierte. Was vermochten die Legi-
timisten, die Anhänger der vertriebenen Königsfamilie, meistens aus
adellgen Familien bestehend, gegen die Bürgermasse, vorausgesetzt daß
sie wirklich an irgend ein Unternehmen dachten? Sie hatten im Juli
1830, wo die Staatsgewalt in ihren Händen war und die Armee ihnen
zur Verfügung stand, nach einem schwächlichen Widerstande ihre Sache
verloren gegeben, daher konnte man Demonstrationen, wie z. B. 1843
die Wallfahrten nach England zu dem Herzoge von Bordeaur, dem
rechtmäßigen Thronerben, kaum hoch anschlagen und mußte sie eher als
Geräusch der Eitelkeit betrachten, die einmal wieder von sich reden
hören machte. Die Landbevölkerung hatte die Julirevolution nicht ge-
rade mit Freude begrüßt, aber sie hatte seitdem Ruhe, deßwegen blieb
auch sie ruhig und kümmerte sich mehr um Aecker, Wiesen und Wein-
berge, als um die Kammerdebatten und legitimistischen Demonstrationen.
Das Militär war mit der Friedenspolitik des Königs nicht einverstan-
den, besonders wenn wie 1840 zuerst Lärm geschlagen und dann wieder
zur Ruhe kommandiert wurde, aber es hatte in Afrika immerhin ein
Feld, wo sich das kriegerische Gelüste befriedigen ließ und das Avance-
ment ein schnelleres Tempo einhielt als im Garnisonsdienst. Louis
Philipp hatte deswegen allen Grund, mit dem übrigen Europa fest
daran zu glauben, daß nur mit seinem Tode der französische Thron er-
ledigt werde, und diesem Zeitpunkt, „wenn sich zwei Augen schließen“,
sah Europa mit einer nicht zu verhehlenden Bangigkelt entgegen, um
so mehr, als des Königs ältester Sohn, der bei der Armee und dem
gemeinen Volke beliebte Herzog von Orleans, durch einen unglücklichen
Sprung aus dem Wagen, als der Kutscher die Pferde nicht mehr in