Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

608 Die neue Revolutionsperiode. 
dern auf eine von dem Staate zu bezahlende bestimmte Geldsumme 
(Civilliste) angewiesen sein soll. Louis Philipp fand es mit vollem 
Rechte nicht für gerathen, sein Familienerbe zu Staatsgütern werden zu 
lassen und sich mit seiner großen Familie auf die von der Kammer aus- 
geworfene Civilliste zu beschränken. Diese wurde ihm gegeben, weil er 
König der Franzosen geworden, und mit ihr mußte er einen König der 
Franzosen repräsentieren, mußte sich mit einer großen Hofhaltung um- 
geben, Aufwand machen, Geschenke und Unterstützungen verabreichen 
u. s. w., was er als Herzog von Orleans nicht in diesem Maße zu 
thun genöthigt war. Billig konnte er verlangen, daß ihn das Reich, 
dessen Regierung man ihm übergeben hatte, für den Aufwand entschä- 
dige, den seine neue Würde von ihm forderte, und ihm nicht zumuthe, 
daß er obendrein sein Privateigenthum, das einzige sichere Erbtheil seiner 
Familie, gleichsam als Gegengabe für die Krone zum Opfer bringe. 
Er war auch als König nie karg; er verausgabte nicht allein die ganze 
Civilliste, sondern machte auf sein Vermögen hin noch manche Million 
Schulden, obwohl er ein guter Haushälter war und niemand ihm un- 
nütze Verschwendung vorwerfen konnte. Die Pariser hätten wie alle 
Franzosen dies recht wohl wissen können, aber das Geschrei über die 
Habsucht des Königs tönte den an Skandal Gewöhnten zu lieblich, als 
daß sie es zurückgewiesen hätten. Noch mehr wurde der Tod und das 
Testament des letzten Kondé als Skandalgrube ausgebeutet; dieser, der 
Vater des unglücklichen Herzogs von Enghlen, wohnte nach der Restau- 
ration meistens zu Chantilly, erlebte noch die Julirevolution, die den 
alten Mann schwermüthig machte, und am 27. August 1830 fand man 
denselben in seinem Schlafzimmer erhenkt. In seinem Testamente hatte 
er den vierten Sohn Louis Philipps, den Herzog von Aumale, als 
Haupterben eingesetzt, wogegen die verwandte Famille Rohan einen 
Prozeß erhob, um das Testament umzustoßen, in Folge dessen nicht nur 
der Selbstmord des Prinzen Kondé in Frage gestellt, sondern auch mit- 
telbar der König der Erbschleicherei bezichtigt wurde. Die Familie Ro- 
han verlor den Prozeß im ordentlichen Rechtsgange, aber die Feinde 
Louis Philipps ermangelten nicht, die schwärzesten Andeutungen gegen 
ihn zu verbreiten und sie mit seiner Habsucht zu begründen. So wurde 
auch das Gerücht in Umlauf gesetzt, er und der nordamerikanische Prä- 
sident Jackson hätten (1835) die in Folge der Kontinentalsperre von 
Frankreich an Nordamerika zu bezahlende Entschädigungssumme von 25 
Millionen Franken zuerst den betheiligten Kaufleuten um wenige Procente 
des Betrags abgekauft, worauf der eine in der Eröffnungsrede des Kon- 
gresses die Anforderung mit Vehemenz geltend gemacht und der andere 
dieselbe durch die Kammern habe bewilligen lassen, und zu guter Letzt seien 
die Millionen von den zwei schlauen alten Herren getheilt worden. Nicht
	        
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