Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

614 Die neue Revolutionsperiode. 
ohne Kampf wich, allein man begeht dadurch ein schreiendes Unrecht, 
denn Louieê Philipp war kein zaghafter Mann, er wich nicht aus Furcht, 
sondern weil er der Ueberzeugung war, daß seine Stellung eine unhalt- 
bare geworden sel. Der Reformbewegung durfte er nicht nachgeben, 
wenn er die Plane der Revolutionspartei nicht gerade selbst befördern 
wollte; als aber die Pariser Nationalgarde oder, mit andern Worten, 
die gesammte Bourgeoisie, sich für die Reformbewegung erklärte, von 
deren Endzlele sie keine Ahnung hatte, konnte der König durch das 
Militär allerdings die Aufstände des Proletariats so gewiß überwältigen, 
als er es früher in Paris und Lyon gethan hatte, aber im Jahr 1848 
wäre damit nichts gewonnen gewesen. Die früheren Aufstände gegen 
Louis Philipp gingen offenkundig von der Partei der ertremen Republi- 
kaner aus, von deren Republik die Bourgeolsie nichts wissen wollte, 
daher die Nationalgarde mit dem Linienmilitär in den Straßen feuerte; 
im Februar 1848 aber hüteten sich die Revolutionäre wohl das Wort 
Republik zu ihrem Feldgeschrei zu machen, sie gaben sich vielmehr den 
Anschein, als ob sie wie Odilon Barrot und Thiers nur eine Reform 
des konstitutionellen Lebens wollten; wie sollte der König gegen Demon- 
strationen auf der Straße für eine solche Reform das Militär ernsthaft 
einschreiten lassen, wenn die Nationalgarde selbst die Reform hochleben 
ließ? Die Niederlage der Revolutionäre wäre in den Augen der Bour- 
geoisie nicht als ein Sieg der Monarchie über die Republik erschienen, 
sondern als ein unverantwortliches Blutvergießen, angeordnet von dem 
Könige gegen arme Leute, welche dem nationalen Rufe nach Reform in 
ihrer lebhaften Weise Ausdruck gegeben hätten. Welchen Stoff für die 
fulminante Beredtsamkeit eines Lamartine, Thiers, und noch mehr für 
die eines Ledru Rollin, Louis Blank r2c. hätte nicht ein neuer Sieg 
Bugeauds in den Straßen von Paris dargeboten, wie oft hätte nicht 
das Blut der Schlachtopfer für die Reform Rache über den König schreien 
müssen! Der König wäre nach dem Siege von den beredtesten und po- 
pulärsten Männern Frankreichs der Bourgeoisie als Tyrann bezeichnet 
worden, er hätte sich nur mehr durch Gewalt Gehorsam erzwingen kön- 
nen, endlich zur Militärdiktatur greifen müssen, wenn er der allgemei- 
nen Mißstimmung nicht unterlegen wäre. Louis Philipp verdankte der 
Bourgeolsie den Thron, sie war die Stütze seines Thrones, darum gab 
er ihn auf, als er von der Bourgeoisie verlassen wurde und hatte auch 
keine andere Wahl. Die Bourgeoiste erfuhr es erst, daß es sich um 
die Republik handle, als diese schon hergestellt war, als der König und 
die Prinzen schon geflüchtet waren; diese hatten flüchten müssen, wenn 
sie nicht ermordet sein wollten, denn die Partei, welche einen Fieschi, 
Alibaud, Darmes rc. 2c. erzeugt hatte, wäre nicht um einige Kugeln 
oder Dolche in Verlegenheit gekommen. So war die Regierung ver-
	        
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