616 Die neue Revolutionsperiode.
sorgt hatten, daß die rothe Republik gehörig vertreten war. Am 10.
wurde eine neue provisorische Regierung, die sogenannte Erekutivkom-
mission (Arago, Lamartine, Ledru Rollin, Garnier Pages
und Marie), eingesetzt, die ihre Ministerien selbst wählen konnte. Diese
Zusammensetzung war nicht im Sinne der „wahren Demokraten“, daher
wurde eine Ueberrumpelung der Nationalversammlung ins Werk gesetzt;
um Militär und Nationalgarde wieder einmal zu übertölpeln, zog am
15. Mai eine ungeheure Masse vor die Nationalversammlung unter dem
beständigen Rufe: vive la Pologoe! (Es lebe Polen!) und wurde
wirklich weder von der Nationalgarde noch von den „Mobilen“ aufge-
halten. In der Versammlung verlangte ihr Wortführer Blangui die
Absendung einer Armee an den Rhein, Kriegserklärung gegen Rußland,
von den Reichen eine Steuer von 1000 Millionen Franken für die
Armen, die Auflösung der Kammer, vorher aber von derselben die Er-
klärung, daß Blanqui und Konsorten sich um die Republik wohl ver-
dient gemacht hätten. Gleichzeitig war ein Genosse Blanquis, Barbés
(wie sein Freund Verschwörer von Jugend auf, wegen bewaffneten Auf-
stands gegen Louis Philipps Regierung zum Tode verurtheilt, aber zum
Gefängnisse begnadigt, aus welchem sie die Februarrevolution befreite),
mit einer Masse vor das Stadthaus gezogen und proklamierte dort eine
neue Regierung, aus seiner eigenen Person, Kaussidière, Louis
Blank, Sobrier, Kabet und Proudhon bestehend. Jetzt gingen
aber der Nationalgarde die Augen auf, eine socialistische Republik und
dazu ein Krieg mit dem Auslande drohte mit allgemeinem Verderben,
sie schritt daher ein, jagte die „wahren Demokraten“ auseinander und
nahm Barbes mit 70 andern fest. So lief der Handstreich gegen die
Republik glimpflich genug ab und die Nationalversammlung veranstaltete
auf den 21. ein großes Versöhnungefest, eine Komödie, mit der sich die
„wahren Demokraten“ nicht abspeisen ließen, um so weniger, als die
Nationalversammlung gleich darauf eine Maßregel vorbereitete, die alle
Hoffnungen auf den endlichen Triumph der rothen Republik zu vernich-
ten drohte. Man hatte es nämlich satt, Tag für Tag über 100,000
Leute zu bezahlen, die sich Arbeiter nannten, deren Hauptgeschäft aber
darin bestand, daß sie in den Straßen herumzogen, sangen und krakehl-
ten, eine Unzahl Freiheitsbäume pflanzten, welche von den Geistlichen
eingesegnet werden mußten, ja in den ersten Zeiten mehr als einmal die
Pariser Bourgeois zwangen, zu Ehren der Republik Abends ihre Häuser zu
beleuchten. Die Arbeiter fremder Nationalität waren auf das Verlangen
der französischen bereits fortgewiesen worden, nun sollten auch die nicht-
parisischen, nicht von Privaten beschäftigten Arbeiter entfernt und in die
Provinzen vertheilt werden, was nichts anders bedeutete, als die Dis-
locierung oder die Auflösung der socialistischen Armee. Alle Arbeiter