Die revolutionäre Sündfluth über Deutschland. 623
forderte von dem Papste ein demokratisches Ministerium und seine Zu-
stimmung zu einer konstituierenden Versammlung für ganz Italien. Er
verweigerte beides und nun fielen Schüsse in die Fenster seines Palastes,
ein Sekretär, Palma, wurde getödtet, die römischen Truppen fraterni-
fierten mit dem Volke und so blieb dem Papste nichts übrig als das
verlangte demokratische Ministerium zu ernennen, und die Frage wegen
der konstituierenden Versammlung für Italien an die versammelten Kam-
mern zu verweisen. Er wurde wie ein Gefangener bewacht und wer
weiß, was ihm noch widerfahren wäre, wenn er sich nicht mit Hilfe des
bayerischen Gesandten, Grafen Spaur, in der Nacht vom 24./25. No-
vember in das Neapolltanische hätte retten können, wo er in Gaöta
seinen Wohnsitz nahm und gegen die Gewaltakte zu Rom die feierlichste
Verwahrung einlegte. Jetzt triumphierte Mazzinis Partei in Rom; am
11. Dezember verwandelte sich das Ministerium in eine provisorische Re-
gierung, die römischen Kammern wurden aufgelöst, und auf den 5. Fe-
bruar die konstituierende Versammlung für Italien nach Rom einbe-
rufen, welche deßwegen Costituente Romana hieß, weil Rom JItaliens
Hauptstadt werden sollte. In Toskana, dessen Großherzog dem Kaiser
von Oesterreich den Krieg hatte erklären müssen, wofür die Toskaner
am Kurtatone büßten, nahmen die Dinge einen ähnlichen Verlauf, in
Florenz durch gemüthliche Anarchie, in Livorno durch Pöbelaufstände,
jeroch dauerte es bis Februar des folgenden Jahres, ehe Großherzog
Leopold II. wie Pius IX. entfliehen mußte.
Fünftes Kapitel.
Die revolutionäre Sündfluth über Deutschland.
Daß Deutschland große Erschütterungen bevorstünden, war schon
einige Jahre vor 1848 mit einer Sicherheit vorauszusagen, wie dies
vielleicht noch bei keinem andern großen Ereignisse der Geschichte der
Fall gewesen ist. Es fehlte auch gar nicht an Prophezeiungen; man
hörte den gemeinen Mann sagen: dieses Treiben muß den Regierungen
über den Kopf wachsen, und in Zeitschriften und Büchern wurde in allen
nur denkbaren Wendungen das Kapitel abgehandelt, daß große Ereig-
nisse in Aussicht stehen, zu hoffen seien, daß Erschütterungen nicht lange
mehr ausbleiben werden, daß das alte Gebäude in „allen Fugen krache“ #.
In den kleinen und mittleren Staaten war der Widerwille gegen die
Bundesverfassung allbereits ein fanatischer geworden; entgegnete man
Eiferern dieser Art: „Bedenket doch, daß Deutschland seit wenigstens
drei Jahrhunderten vom Auslande niemals so wenig angefochten wurde
als von 1815 bis jetzt, was wir allein der Wehrkraft des Bundes ver-