Die revolutionaͤre Sündfluth über Deutschland. 625
manchem, was seit 1844 geschehen ist, gesucht werden darf. Die libe-
rale oder konstitutionelle Partei hatte 1830 und in den nächstfolgenden
Jahren mehrmals die Lanze gegen den Bund eingelegt, um ihn zu
nöthigen, wenigstens die Konstitutionen der einzelnen Staaten in Ruhe
zu lassen, dieselbe zersplitterte jedoch immer, aber noch vor der neuen
französischen Revolution begann der Angriff abermals und zwar mit viel
größerer Heftigkeit und nach einem weiter greifenden Plane. Bereits
am 12. Februar 1848 trug in der badischen zweiten Kammer der Ab-
geordnete Bassermann von Mannheim eine Motion vor, in welcher er
eine Vertretung der Kammern in dem Bundestage verlangte; begreiflich
konnte die badische Regierung diese Vertretung auch mit dem besten
Willen nicht bewirken, das bezweckte auch der Antrag nicht, er war
eigentlich nur das Losungswort, das die preußisch-deutsche Partei zu
geben für gut fand. Dieselbe hatte sich seit 1847 in der von Basser-
mann verlegten „Deutschen Zeitung“ ein Organ geschaffen, das der
schwäbische Volkswitz alsbald die Professorenzeltung taufte, welchen Namen
das Blatt durch seinen docierenden Ton rechtfertigte. Mit dieser Partei
verschmolzen die alten Liberalen fast ohne Ausnahme, weil sich ihnen
die Verwirklichung der konstitutionellen Staatsform in den kleinern und
mittleren Staaten als Unmöglichkelt erwiesen hatte, so lange Preußen
gegen dieselbe war; sie hofften zugleich durch die Unterordnung der
Klein= und Mittelstaaten unter Preußen die nationalen Interessen ge-
genüber den dynastischen Sonderinteressen zu wahren. Diese Partei hatte
ihre Anhänger unter den Gelehrten, Beamten, sowie unter dem höheren
Gewerbsstande, und der nach einer Einigung suchende Instinkt des
protestantischen Volkes bürgte dafür, daß ihr ein großer Theil desselben
zufallen werde. Oesterreich konnte natürlicherweise nicht in den Kreis
dieser politischen Richtung hereingezogen werden, dazu war es zu groß,
und, wie die Herren an der Spitze der Partei wohl einsahen, konnte es
auch keine ihrem Systeme entsprechende Verfassung annehmen. Aus der
Zusammensetzung der preußisch-deutschen Partei erhellt von selbst, daß
sie nicht daran denken konnte noch wollte, von sich aus einen gewalt-
samen Umsturz der bestehenden Ordnung zu versuchen, aber sie wirkte
mit dem größten Erfolge auf die Mißstimmung der untern Klassen, und
beförderte die Unzufriedenheit wenigstens dadurch, daß sie sich gegen das
bestehende politische System aussprach; die Regierungen durften also kei-
neswegs auf sie zählen, wenn es sich einmal um die Vertheidigung die-
ses Systemes handelte. Sie kannte (so gut als in Italien Gioberti) die
Eristenz und theilweise auch die Thätigkeit der republikanischen Partei,
aber sie ließ es sich nicht träumen, daß dieselbe versuchen würde sich der
Gewalt zu bemächtigen, wenn diese den Regierungen entrissen oder ent-
fallen wäre, obwohl ihre Matadoren aus der Geschichte wissen konnten,
Bumüller, Neue Zeit. 6. Aufl. 40