Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

626 Die neue Revolutionsperiode. 
daß die Partei, welche die revolutionäre Streitmasse liefert, für sich und 
nicht für andere ihre Arbeit gethan haben will. Die republikanische 
Partei war wenigstens in ihrem socialistischen Zweige 1847 schon voll- 
ständig organisiert; Frankreich und die Schweiz boten die Stätten, wo 
der deutsche Handwerker von den Priestern des Socialismus, meist fluch- 
tigen Literaten, in dessen Mysterien eingeweiht wurde, um nach Deutsch- 
land zurückgekehrt neue Adepten zu gewinnen. Dieser socialistische Repu- 
blikanismus war roth wie der französische, dem er entstammte, durch- 
schnittlich aber noch schlimmerer Gattung als jener, weil die deutschen 
Chefs ihre Leute mit dem Fanatismus des Unglaubens, mit einem 
wüthenden Hasse gegen das Christenthum, das sie die Mutter aller 
Ungerechtigkeit und Thorheit nannten, erfüllten, während die Franzosen 
die Religion wenigstens mit Höflichkelt in ihrer neuen Gesellschaft zu 
dulden gesonnen waren, vorausgesetzt daß die Geistlichkeit ihnen nicht 
entgegemvirke. Der socialistische Theil der Republikaner hat später zu 
den meisten Aufständen den gewaltsamen Anstoß gegeben, war aber auch 
die Ursache, daß die deutschen mittleren Stände bälder zu sich kamen 
und des Revolutionierens satt wurden. Denn eine Republik ungefähr 
nach dem Zuschnitte der nordamerkkanischen oder der neuen schweizerischen 
wäre so ziemlich nach dem Geschmacke der „Bürger“ gewesen; sie schien 
dem Ideal einer konstitutionellen Monarchie in der Hauptsache zu glei- 
chen, indem sie fast für die ganze Stufenleiter der Beamtungen Raum 
gewährt, statt der Aristokratie der Geburt (Adel) die des Geldes kennt 
und statt eines erblichen Monarchen einen wählbaren Präsidenten an 
die Spitze des Staates stellt. Diesem Theile der republikanischen Par- 
tei wuchsen seine Hoffnungen aber erst, als das Revolutionieren so un- 
erwartet leicht gelungen war, vorher waren diese honnéten Republi- 
kaner so wenig als die rothen durch ihre Zahl im Stande einen An- 
griff auf die bestehende Ordnung zu wagen; sie mußten sich wie in 
Frankreich der liberalen Partei anhängen, den Forderungen derselben 
durch Demonstrationen auf der Straße Nachdruck geben, die Kraft 
der Regierung lähmen und erst nachdem die Anarchie geschaffen war, 
durften sie es wagen für ihre eigene Sache zu handeln und ihre 
Farbe zu zeigen. Die deutschen Republikaner verrechneten sich aber mit 
ihrer der französischen nachgeahmten Taktik, weil Deutschland kein 
Einheitsstaat ist wie Frankreich und kein Paris hat, dessen Beispiel 
das ganze Land folgen muß, daher auch in Deutschland mit dem repu- 
blikanischen Sieg in einer großen Stadt noch lange nicht alles ge- 
wonnen ist. 
Liberale und Republikaner, alle Unzufriedenen Deutschlands klatsch- 
ten Beifall, als 1847 die Schweizer trotz Oesterreich und Frankreich 
ihre Bundesverfassung von 1815 umwarfen und sich eine neue gaben;
	        
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