Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

632 Die neue Revolutionsperiode. 
thanen Oesterreichs durch Geschenke an die Kirchen u. dgl. ausbreiten durfte. 
Unbegreiflich erschien es aber, daß Oesterreich den Zollverein durch Preußen 
zu Stande kommen ließ, und sich nicht selbst zum Hauptfaktor desselben 
machte; denn durch denselben gewann Preußen wenigstens doppelt so 
vielen Einfluß auf die deutschen Staaten, als es früher besaß, während 
Oesterreich Deutschland immer fremder wurde und doch bei seinem Zoll- 
spsteme keinen finanzlellen Gewinn hatte, da dasselbe durch einen groß- 
artigen Schmuggel ausgebeutet wurde. Diese Nachgibigkeit gegen Ruß- 
land, das zuletzt die Mündungen der Douau, welcher Strom Europas 
wichtigste Handelsstraße sein sollte, erwarb und nach Möglichkeit verstopfte, 
und das Gewährenlassen Preußens schien anzudeuten, daß die österrei- 
chische Politik eine passive geworden sei und nur noch gegen den Libe- 
ralismus in den deutschen und italienischen Mittel-- und Kleinstaaten 
Rüstigkeit besitze. Die Regungen der flavischen Nationalitäten im Kaiser- 
reiche wurden im Auslande gewöhnlich falsch beurtheilt, von der Re- 
gierung selbst durchaus nicht mit Mißtrauen behandelt, denn an das 
Gespenst des Panflavismus glaubte sie nicht und war zu gerecht, um 
den Bemühungen edler und gelehrter Slaren für ihre Sprache und 
Literatur ein Hinderniß in den Weg zu legen; ist ja doch die Muttersprache 
die unveräußerliche Erbschaft jedes Menschen und jeder Nationalität, und 
vermag doch nur die geistige Ueberlegenheit einer Nationalität, die sich 
in genialer Thätigkeit äußert, auf dem Gebiete der andern Eroberungen 
zu machen, die niemand als ungerecht entschuldigen kann, weil der freie 
Wille dabei keinen Zwang erfährt. Eine andere Bedeutung aber ent- 
wickelte der Sprachenkampf in Ungarn, der seit 1840 in vollem Gange 
war und damit endete, daß die magyarische Sprache zur officiellen 
des Königreichs Ungarn erklärt wurde. Dies rief ein Widerstreben der 
nichtmagyarischen Bewohner Ungarns hervor, das sich bei dem militäri- 
schen Stamme der Kroaten, bei den Slavontern und Serbern (Raizen) 
besonders energisch kundgab. Der Zwang, den die magyarische Natie- 
nalität gegen die andern ausübte, erwies sich bald als nicht einfach aus 
nationalem Stolze hervorgehend, sondern als ein Mittel politischer Agl- 
tation. Gleichzeitig nämlich verwandelte sich das Bestreben, eine unga- 
rische Industrie heranzubilden, das hochstehende Männer in guter Absicht 
geweckt und gepflegt hatten, in ein Treiben, das an den lombardischen 
Cigarrenkrieg erinnerte; es bildete sich nämlich ein Verein gegen den 
Gebrauch aller nichtungarischen Fabrikate, also hauptsächlich der öster- 
reichischen, und obwohl ein derartiges Unternehmen kaum anders als ein 
lächerliches genannt werden kann, so diente es doch, wenn auch nur kurze 
Zeit, als Werkzeug der magyarischen Agitation. Diese trat mit ihrem 
letzten Zwecke: Ungarn eine gänzlich selbstständige Stellung zu geben 
und höchstens in einer Personalunion mit den andern Ländern des Kai-
	        
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