636 Die neue Revolutionsperiode.
sterium, das ihn noch immer seinen Souverän nannte, auf eigene Fanst
gegen Unterthauen, welche an ihren Kaiser und König appellierten, einen
Krieg beginne, er mußte sich der Slaven annehmen, wenn er sich nicht
thatsächlich der Rechte des Souveräns entschlagen wollte. Der ungarische
Reichstag verlangte aber umgekehrt, daß der Kaiser und König die
Unterordnung der Slaven unter die Magyaren, was Gehorsam gegen
die Verfassung genannt wurde, befehlen und die ministeriellen Maßregeln
sanktionieren solle, so daß die Spannung immer größer wurde und der
Kaiser das ungartsche Ministerium zuletzt nicht anerkannte. Kossuth hatte
dem Banus bei dessen Abschied in Pesth erklärt, der Streit zwischen
Maggyaren und Kroaten werde an der Drau entschieden werden; an der
Donau! antwortete ihm Jellachich aus Kroatien, und in der That rückte er
am 11. Sept. mit einem ansehnlichen Korps in Ungarn ein und drang über
Stuhlweißenburg bis in die Nähe von Ofen vor. Bei Velencze jedoch er-
litt er am 29. ziemlichen Verlust an Gefangenen, worauf er sich gegen
Oesterreich wandte und durch das Bakonyer Waldgebirge an die Raab
und an Preßburg vorbei gegen Wien marschierte, wo er nöthiger als
vor Ofen war. Der Kaiser hatte nämlich gegen das Treiben des un-
garischen Reichstags und Ministeriums entscheidende Schritte gethan: um
25. September schickte er den Grafen Lamberg als Kommissär und
Oberbefehlshaber nach Pesth, derselbe wurde am 29. durch eine Rotte
am hellen Tage auf offener Straße ermordet; der Reichstag erklärte
Jellachich in die Acht, der Kaiser aber ernannte ihn zu seinem alter
ego, befahl die Auflösung des Reichstags und bevollmächtigte den
Grafen Reksey als Präsidenten eines neuen ungarischen Ministeriums
(3. Oktober); zwischen offener Rebellion und Gehorsam blieb demnach
für den Reichstag Kossuths kein Mittelweg mehr. Kossuth war längst
vorbereitet und schwankte keinen Augenblick, er hatte in Wien seine Leute
und mit diesen führte er gegen die kaiserliche Regierung die gefährlichsten
Schläge. Dort hatten sich am 22. Juli die freigewählten Reichsstände
versammelt und auf ihre Bitte kehrte der Kaiser am 12. August nach
Wien zurück, mußte aber von der Versammlung, die sich als souverän
gebärdete, Forderungen anhören, die über alles Maß hinausgingen.
Es schien oft, als ob dieselbe zu sich komme, aber handumkehrt be-
gann der Taumel aufs neue; sie war so unpatriotisch, daß sie für
den Heldengreis Radetzky und seine herrliche Armee kein Wort des
Dankes und des Lobes hatte, als die Siegesberichte von Kustozza und
Mailand einliefen, um so weniger durfte man ihr zumuthen, daß sie
die ungarischen Trennungsgelüste einsehe und würdige, oder dem Trei-
ben jugendlicher Phantasten und Tollköpfe, italsenischer, polnischer und
ungarischer Revolutionsagenten, dazu einer Sippschaft verkaufter oder
auf allerlei, nur nichts Gutes, spekulierender Juden ein Ziel seze. Am