54 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c.
Savoyen an, und dies säumte nicht, der Reformation Genf und sich selbst
einen Zuwachs an Gebiet zu erobern, was ihm auch fast ohne Schwert-
streich gelang. In Genf waren die Anhänger der neuen Lehre, durch
französische Flüchtlinge verstärkt, den Katholiken der Zahl nach kaum
gleich, aber an Eifer und Thatkraft weit überlegen, und der Bischof,
einer jener Männer, die ihrem Amte selbst in ruhigen Zeiten nicht ge-
wachsen waren, ein sehr weltlicher Herr, verließ Genf und entwich nach
Annecy in Savoyen, von wo aus er den Bann gegen die Stadt schleu-
derte. Dadurch hatte er sich zum Bundesgenossen des Herzogs von
Savoyen und die Sache der Kirche von dem Siege des Herzogs ab-
hängig gemacht, während Stadtfreiheit und Reformation zusammenfielen.
Den gleichen Fehler beging der Bischof von Lausanne; auch er nahm in
dem Kriege der Berner gegen Savoyen insgeheim für dieses Partel, und
als die Berner einen kompromittierenden Befehl des Bischofs an seine
Beamten in die Hände bekamen, vertrieben sie den Bischof, ließen dis-
putieren und führten die Reformation mit Gewalt ein; den Kirchenschatz
der Lausanner Kathedrale, mehr als ½ Million Gulden werth, nahmen
sie nach Bern und münzten ihn aus, die Waadt aber wurde in Vogteien
getheilt, in denen die Angehörigen der Patrizierfamilien treffliche Versor-
gung fanden; die Berner hüteten sich aber wohl, in der Waadt das demo-
kratische Kirchenregiment Kalvins einzuführen. Das von Savoyen befreite
Genf wollten die Berner anfänglich ebenfalls für sich behalten; die Ueber-
raschung der Genfer über diese Wendung des Freiheitskrieges und ihr
inständiges Bitten zeigten jedoch den Bernern, was sie zu erwarten hät-
ten; einen solchen Umschlag wollten sie nicht herbeiführen, daher ließen
sie Genf frei, das nun bis 1792 eine eigene Republik blieb. Hier fand
Kalvin aus Noyon in der Pikardie (geb. 10. Juli 1509) den wich-
tigen Schauplatz seiner Thätigkeit. Der gewaltthätige Farel und ein
anderer Prediger, Viret, hatten die Reformation dergestalt entfesselt, daß
die Kirchen im Sturme von Bildern, Altären und Geräthen des Kultus
geräumt wurden, aber gleichzeittg war auch eine solche Unordnung ein-
gerissen, daß sich die Prediger der neuen Lehre nicht mehr zu helfen wuß-
ten; in Kalvin, der eben auf einer Reise nach Genf gekommen war (1536),
glaubten sie den Mann gefunden zu haben, der Ordnung machen könnte,
und sie täuschten sich nicht in ihm. Er hatte sich durch seine Institutio
religionis christianae (Unterricht in der christlichen Religion) als re-
formatorischer Theolog einen bedeutenden Namen erworben und wurde
durch den Genfer Rath zum Professor der Theologie und Prediger
ernannt. Er verfaßte hierauf „das Glaubensbekenntniß, welches alle
Bewohner Genfs und die ihm unterthan sind, zu halten und zu bewahren
schwören“, und schritt zu gleicher Zeit mit unnachsichtlicher Strenge
gegen die Unsittlichkeit ein, welche in Genf überhand genommen hatte.