Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Stellung Oesterreichs und der Westmächte. 675 
gegen ihre ganze Flotille; dieselbe hatte Truppen und Munitlon nach 
Batum geführt und lag auf der von einigen schwachen Batterien ver- 
theldigten Rhede von Sinope so sorglos vor Anker, als ob es 60 
Stunden nördlich kein Sebastopol und keine russische Flotte gäbe; diese 
erschien auch so plötzlich und in solcher Uebermacht, daß nur ein türki- 
sches Dampsschiff entkam, um die Botschaft von der Vernichtung des 
ganzen Geschwaders nach Konstantinopel zu bringen. Jetzt lief die eng- 
lisch-französische Flotte in den Pontus ein, um die türkischen Schiffe 
und Küsten zu decken, worauf die russische sich nach Sebastopol zurückzog. 
Die Katastrophe von Sinope störte die Diplomaten, welche an der Wie- 
derherstellung des Friedens arbeiteten, nicht wenig, denn Rußland hatte 
durch diesen Schlag, den es gleichsam unter den Kanonen der westmächt- 
lichen Flotten führte, offenbar bewiesen, daß es von Frankreich und Eng- 
land kein ernsthaftes Einschreiten befürchte, und dadurch die Regierungen 
der beiden ehrsüchtigen Völker in eine schlimme Stellung gebracht. Die 
vier Großmächte unterzeichneten am 5. Dezember zu Wien ein Pro- 
tokoll zur Wahrung der Integrität der Türkel, Rußland aber theilte 
die Milizen der Donaufürstenthümer in seine Armee ein, ließ die Ent- 
fernung der Hospodare zu, ordnete eine russische Verwaltung der Fürsten- 
thümer an und erschöpfte sie durch Requisition für seine Armee, lehnte 
endlich die Vermittlung der Mächte förmlich ab, weil Rußland es allein 
mit der Türkei zu thun habe, die nur den status quo ante anzuerkennen 
brauche, wenn sie Frieden wolle. Indem aber Kaiser Nikolaus auf diese 
Weise die Wünsche und Warnungen der europäischen Großmächte ab- 
weisen zu dürfen glaubte, hatte er sich nach zwei Seiten verrechnet. Er 
rechnete darauf, Oesterreich werde dem Kriege gegen die Türkei wie 
1828—29 zwar sehr unwillig, aber doch unentschlossen und unthätig 
zuschauen und blieb bei dieser Voraussetzung, obwohl sein Vertrauter, 
der Graf Orlow, welchen er gegen Ende Januar nach Wien gesandt 
hatte, von der österreichischen Regierung nichts weniger als die unbe- 
dingte Zusicherung eines neutralen Verhaltens zurückbrachte. Oesterreich 
verstärkte damals sein Armeekorps an der türkischen Gränze bis auf 
50,000 Mann und hielt eine noch stärkere Streitmacht bereit, wodurch 
es bewirkte, daß Serbien ehrlich neutral blieb, wie es dessen Fürst am 
6. November versprochen hatte, daß selbst die Montenegriner nicht gegen 
die Türken loszuschlagen wagten und Bosnien wie die Herzegowina sich 
ruhig verhielten. Hätte Oesterreich sich nicht als geharnischter Wächter 
an der westlichen Gränze des türkischen Reiches aufgestellt, so wäre von 
den serbischen Stämmen eine Insurrektion ausgegangen, welche sich über 
Bulgarien und Makedonien mit Sturmeseile verbreitet und die ganze 
Armee Omer Paschas im Rücken gefaßt hätte; denn im Süden waren 
bereits Epirus und Thessalien, wo die christliche Bevölkerung der türki- 
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