678 Die neue Revolutionsperiode.
schin, Tultscha, Isatschka und andere kleine Donaufestungen wurden von
den Russen mit Leichtigkeit genommen, die ganze Dobrudscha besetzt
und anfangs Mai rückte die russische Hauptarmee, über welche der alte
Marschall Paskewitsch auf das ausdrückliche Verlangen des Kaisers
das Kommando übernommen hatte, vor die Festung Silistria. Zu
einer regelmäßigen Belagerung waren die Russen übrigens nicht gerüstet,
sie bombardirten daher die Stadt, richteten den eigentlichen Angriff
jedoch gegen ein Vorwerk, die Redoute Arab Tabia. Es gelang ihnen
aber nicht durch Minen eine praktikable Bresche zu öffnen, ihre wieder-
holten Stürme wurden blutig zurückgeschlagen und das türkische Geschütz
that ihnen fortwährend großen Schaden; dieses so wie die ganze Ver-
theidigung leitete ein ehemaliger preußischer Offizter, Grach, dem der
Kommandant Musa Pascha, der eine europäische Schule durchgemacht
hatte, zu vertrauen klug genug war. Am 9. Juni erhielt Paskewitsch
eine starke Kontusion, die ihn nöthigte das Kommando wieder dem Für-
sten Gortschakow zu übergeben, der am 13. allmählig von Silistria ab-
zog und auf das linke Donauufer zurückging. Den Russen war es nicht
um die Eroberung Silistrias zu thun gewesen, sie hatten vielmehr durch
ihren Angriff auf dasselbe die türkische Hauptarmee unter Omer Pascha
herbeilocken wollen; ohne allen Zweifel hätte dieser in einer regelmäßigen
Schlacht eine vollständige Niederlage erlitten, die russische Waffenehre
wäre glänzend wieder hergestellt worden und Kaiser Nikolaus hätte nach
einem großen Siege ohne Demüthigung in den Pfad der Friedensunter-
handlungen einlenken können, wobel ihm Oesterreich und Preußen als
Vermittler zur Seite gestanden wären.
Desterreich, Preußien und der deutsche Bund; die Russen räumen die Vonau-
fürstenthümer.
Oesterreich war durch seine geographische Lage und die wichtigsten
Interessen an dem Schicksal der Türkei mehr betheiligt, als jeder andere
Staat Europas, daher mußte es auch entscheidend eingreisen. Es hatte
alles aufgeboten, um den Kaiser Nikolaus von der Besetzung der
Donaufürstenthümer abzuhalten; es hatte im Rathe der Großmächte die
Vermittlungsnote vom 5. Dezember 1853 durchgesetzt, die zuletzt von
Rußland verworfen wurde; es hatte die von Orlow überbrachten An-
träge des Kaisers Nikolaus abgelehnt und als es den Ausbruch des
Kriegs zwischen den Westmächten und Rußland nicht verhindern konnte,
arbeitete es an der Wiederherstellung des Friedens. Frankreich und Eng-
land sowie die öffentliche Meinung Deutschlands, die in den letzten
kritischen Jahren sich wie eine Windfahne gedreht hatte, suchten Oesterreich
zum Kriege zu drängen; aber sollte Oesterreich ohne Preußen und das
übrige Deutschland einen Krieg gegen Rußland beginnen, wenn es nicht