Oesterreich, Preußen und der deutsche Bund #te. 679
geradezu genöthigt war? konnte Oesterreich sich 1854 auf England ver-
lassen, das sich selt 1847 so feindsellg und treulos gezeigt hatte# ge-
währte ihm Napoleon III. hinlängliche Bürgschaft, daß er den großen
Krieg, welchen er durch seinen herausfordernden Brief an Kaiser Niko-
laus wesentlich herbeiführen half, nicht für sich ausbeutete und den
Landkrieg Oesterreich überließ, sobald dessen Bruch mit Rußland ent-
schieren war; daß er nicht die Traditionen Napoleons I. am Rhein, in
Italien und Belgien aufnahm? Ehe Oesterreich einen Schritt vorwärts
ging, mußte es Preußens und des übrigen Deutschlands bis zu einem
bestimmten Grade sicher sein; mit Preußen schloß es am 20. April 1854
zu Berlin ein Bündniß, in welchem sich beide Mächte ihre sämmtlichen
Besitzungen verbürgten, sich gegen jeden Angreifer Beistand versprachen,
die Rechte und Interessen Deutschlands gegen jede Antastung zu schützen
gelobten; sie entsagten während der Dauer des Vertrags jedem andern
Bündniß, das irgend einem Artikel ihres Vertrags widerspräche, be-
schloßen eine Aufforderung an den russischen Hof zu richten, daß derselbe
jedes weitere Vorrücken auf türkischem Boden einstelle und eine bindende
Zusage der alsbaldigen Räumung der Donaufürstenthümer gebe. Als
casus belli (Kriegsfall) gegen Rußland wurde ausdrücklich die Einver-
leibung der Donaufürstenthümer sowie ein Angriff oder Uebergang des
Balkan bezeichnet. Beide Mächte erließen an die andern deutschen Höfe
und nicht an den Bundestag eine Einladung zum Bettritte, worauf die
Mittelstaaten (Bayern, Sachsen, Württemberg, Hannover, Baden,
Hessen-Darmstadt und -Kassel, Nassau) eine Ministerkonferenz in Bam-
berg veranstalteten und in einer gemeinschaftlichen Note verlangten, daß
die Frage dem Bundestag überwiesen und der Bundestag als Großmacht
bei den künftigen Verhandlungen über die orlentalische Frage durch einen
eigenen Bevollmächtigten repräsentiert werde; überdies befürworteten sie
die unverletzte Fortdauer des Königreichs Griechenland, dessen „deutsche
Dynastie gerechte Ansprüche auf die warme Theilnahme Deutschlands
besitze.“ Franz Joseph und Friedrich Wilhelm IV., die sich auf dem
böhmischen Schlosse Tetschen besprachen, fanden gleich wenig Geschmack
an der Note der Bamberger Konferenz; um indessen dem Einwirken aus-
ländischen Einflusses nicht größeren Spielraum zu verschaffen, bewiesen
sie sich in so weit nachgibig, daß die orientallsche Frage vor den Bun-
destag gebracht wurde, der am 9. Dezember 1854 endlich wesentlich
dasselbe billigte, was Oesterreich und Preußen zur Herstellung des Frie-
dens gethan hatten und noch thun wollten.
Oesterreich hatte mit der Pforte und den Westmächten zu Konstan-
tinopel zwei Verträge abgeschlossen; durch den einen wurde es berechtigt
in Albanien und der Herzegowina einzuschreiten, im Falle dort ernsthafte
Unruhen ausbrechen würden; durch den andern (14. Juni) verpflichtete