Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XIX. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (19)

2 Geschichtliche Einleitung. 81 
  
abgesonderte — zumeist durch jüngere Brüder der thüringischen Landgrafen verwaltete 1) — 
Herrschaft Hessen unter der Herrschaft des Hauses Ludwigs des Bärtigen vereinigt, bis dieses 
Geschlecht im Jahre 1247 mit dem Tode Heinrich Raspes, des Gegenkönigs Kaiser Fried- 
richs II., in der männlichen Linie erlosch. 
Nach dem Aussterben des thüringischen Hauses erhoben zwei Geschwisterkinder Heinrich 
Raspes auf die hessische Erbschaft Anspruch: auf der einen Seite Heinrich der Erlauchte, Mark- 
graf von Meißen, ein Schwestersohn Raspes, dem auf Grund einer auf kaiserlicher Verleihung 
beruhenden Lehensanwartschaft bereits die Landgrafschaft Thüringen zugefallen war; auf 
der anderen Seite Sophia, eine Bruderstochter Raspes, die zweite Gemahlin des Herzogs 
Heinrich II. von Brabant, welche Hessen für ihren aus dieser Ehe stammenden Sohn, Hein- 
rich, „das Kind von Braban““, in Anspruch nahm 2). Es erhob sich langjähriger 
offener Kampf. Auch das Eingreifen der hessischen Landstände, welche den jungen Herzog 
von Brabant als „den rechten, wahren Erben und natürlichen Herrn des Landes“ bezeich- 
neten, blieb erfolglos 3). Erst im Jahre 12644) kam es zwischen den beiden Gegnern zu einem 
förmlichen Frieden, auf Grund dessen Markgraf Heinrich von Meißen im Besitze der Land- 
grafschaft Thüringen, Heinrich das Kind aber im Besitze der Herrschaft Hessen an- 
erkannt wurde. Heinrich von Brabant behielt den von seinen mütterlichen Vorfahren aus 
dem Hause Ludwigs des Bärtigen geführten Landgrafentitel bei und nannte sich, indem er 
den ererbten Titel mit dem neuen Besitze verband, nunmehr Heinrich I., Landgraf von Hessen 5). 
Am 11. Mai 1292 wurde Heinrich durch den deutschen König Adolf von Nassau in den Reichs- 
fürstenstand erhoben und gewann damit die rechtliche Basis für die ihm bisher nur aus Courtoisie 
zuerkannte Würde "). Er ist der erste in der ununterbrochenen Reihe der hessischen Fürsten aus 
dem Hause Brabant und erscheint somit als der Gründer des heutigen hessischen Herrscherhauses. 
Sowohl Heinrich I. als auch seine Nachfolger verstanden es, vornehmlich durch Kauf 
und durch allmähliche Unterwerfung der minder mächtigen Geschlechter, die anfangs nur 
wenig umfangreiche neue Landgrafschaft nach außen und innen zu erweitern und ihrer all- 
mählich entstehenden Landeshoheit mehr und mehr Gewicht zu geben. 
Zur Sicherung ihrer Herrschaft vor den Angriffen der in dem Sternerbund vereinigten 
hessischen, westfälischen, fränkischen und wetterauischen Ritterschaft und anderer Feinde 
schlossen die hessischen Landgrafen Heinrich II. und dessen Mitregent Hermann der Gelehrte 
am 9. Juni 1373 mit nachfolgender kaiserlicher Bestätigung eine Erbverbrüderung) 
mit den Markgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm von Meißen, Landgrafen von Thü- 
ringen aus dem sächsischen Hause. Gleichzeitig und wohl auch zu dem gleichen Zwecke erfolgte 
infolge freiwilliger Lehensauftragung die Umwandlung ganz Hessens in ein Reichslehen 
und seine Erhebung zu einer Landgrafschaft des Reiches s). Im Jahre 1431 fand 
  
8 iR Val. Hermann Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, 
1878. . T. 
2) Das erste, urkundlich beglaubigte Mitglied des brabantischen Fürstenhauses ist 
Giselbert, der Graf des lotharingischen Maasgaues, der um das Jahr 845 eine Tochter Kaiser 
Lothars I. entführte und nachmals als Schwiegersohn des Königs und als deutscher Lehensträger 
im Besitze der herzoglichen Würde von Lothringen bestätigt wurde. Siehe Haupt, Die Herzöge 
von Lothringen und Brabant, Mitteilungen des Oberhess. Geschichtsvereins, Nr. IV. 59 ff. 
3) UVgl. Wenck, Hessische Landesgeschichte, 1783—1804, I, S. 139. 
4) Vgpl. Schro h e S. 13; als Zeitpunkt der Beendigung des Erbfolgekriegs nennt Weiß, 
System des Verfassungsrechts des Großherzogtums Hessen, 1837, S. 22, den 28. Oktober 1263. 
5) Bezüglich der Entstehung und Bedeutung des Landgrafentitels vgl. Schrohe S. 8, 
Wenck, 1 S. 139; bezüglich der Übertragung derartiger Titel vgl. auch Rosin, Badische 
Verfassungsgesetze, 1887, S. 2, Abs. 2, Schulze, II S. 7. 
g Siehe Höhlb aumi. Mitteilg. d. Oberhess. Geschichtsvereins, Neue F., Bd. 4, S. 449F ff., 
bef. 53, 54. Vgl. ferner Dieteri ch , »Wie Hessen ein Reichsfürstentum ward“, Mitteilg. 
d. Oberhefl. Geschichtsvereins N. F. IX S. 1 ff., und Frhr. Schenk zu Schweinsberg, 
„Der Anfall der hessischen Erbschaft an das Haus Brabant“", Quartalblätter des histor. Vereins 
f. d. Großherzogtum Hessen, 1885, I S. 11—35. 
7) Den Wortlaut dieser und der späteren Erbverbrüderungen s. Be 2, Hess. Staatsrecht, 
1831 u. 1832 (2 Bde., anonym erschienen), II S. 12 ff.; Schulze II S. 36 ff. Über ihre 
heutige Bedeutung s. unten § 13. 
8) Siehe Weiß, Verf.-R., S. 24. Rehm, Handbuch der Geschichte beider Hessen (1842
	        
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