Full text: Hessische Verfassungsgesetze mit Einführung und Erläuterungen.

III. Die Entstehung der hess. Verfassungsurkunde. 19 
seitigen Rechte und Befugnisse der Fürsten und Völker.“ 
— Das hessische Volk „erschöpfte sich in Muthmaßungen 
über die Motive einer Staatsakte, durch die es in 
seinen theuersten Hoffnungen sich so bitter getäuscht 
glaubte.“ 
Unter diesen Umständen war es nicht zu verwun— 
dern, daß das erste Zusammentreten der auf den 
17. Juni 1820 einberufenen Stände sofort zu einem 
Konflikt zwischen Regierung und Volksvertretung führte. 
Die Mehrzahl der Abgeordneten erklärte sich außer 
Stande, vor der Gewährung einer umfassenden Ver— 
fassungsurkunde den Eid als Volksvertreter abzuleisten, 
und kehrte noch vor der Eröffnung der Sitzungen in 
die Heimat zurück. Die 25 zurückgebliebenen Depu- 
tierten leisteten den Eid nur mit dem ausdrücklichen 
Vorbehalt: daß sie das vorgenannte Edikt und die 
übrigen einschlägigen Verordnungen nicht als das voll- 
endete Verfassungswerk, sondern nur als „den Inbegriff 
der Vorschriften ansehen, welche S. Königl. Hoheit, 
der Großherzog, zur Begründung einer gesetzlichen Wirk- 
samkeit der Landstände zu erteilen für angemessen, ge- 
achtet haben“; auch bemerkten sie ausdrücklich, daß sie 
unbeschadet ihres Eides nicht nur sich selbst für befugt 
crachteten, sofort Abänderungen oder Ergänzungsan- 
träge zu dem Edikt zu stellen, sondern daß sie auch 
von seiten der Regierung die alsbaldige Vorlage von 
entsprechenden Gesetzesentwürfen zur Ausbildung und 
Sicherung der Verfassung erwarteten. Der Erfolg der 
entschiedenen und zugleich maßvollen Haltung der Stände 
ließ nicht lange auf sich warten: Zwei Erklärungen der 
Regierung vom 22. und 23. Juni 1820 und die Er- 
öffnungsrede des Großherzogs vom 27. Juni 1820 
gaben in Beziehung auf die landständische Wirksamkeit 
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