Full text: Hessische Verfassungsgesetze mit Einführung und Erläuterungen.

30 II.Teil. Die Grundlagen des hess. Verfassungsrechts. 
dürfen. Die bedeutsamste, tatsächliche Beschränkung der 
einzelstaatlichen Kompetenz äußert sich darin, daß zufolge 
RV. Art. 4 und mehrfachen Ergänzungsbestimmungen 
späteren Datums die Zuständigkeit zur Beaufsichtigung 
und Gesetzgebung bezüglich einer großen Zahl wichtiger 
Angelegenheiten von den Einzelstaaten auf das Reich 
übergegangen ist. Zu den Gebieten, auf welchen hier- 
nach, soweit das Reich von seiner Zuständigkeit Gebrauch 
macht, jede freie Willensbetätigung der Einzelstaaten 
außer hinsichtlich der eigentlichen Verwaltung aus- 
geschlossen ist, gehören insbesondere: Die Gesetzgebung 
über Freizügigkeit, Heimats= und Niederlassungsverhält- 
nisse, Staatsangehörigkeit, Zoll, Handel und Gewerbe, 
Schutz des geistigen Eigentums, Maß-, Münz= und 
Gewichtswesen, Arbeiterversicherung, bürgerliches Recht, 
Strafrecht und Prozeßrecht, Eisenbahn-, Post= und Tele- 
graphenwesen, Preß= und Vereinswesen, das Militärwesen 
des Reichs und die Kriegsmarine, der Schutz des deut- 
schen Handels im Auslande und der deutschen See- 
Schiffahrt, die konsularische Vertretung im Auslande. 
In bezug auf die Exekutive hat das Reich den Einzel- 
staaten verhältnismäßig nur wenige Beschränkungen auf- 
erlegt; abgesehen von den Verwaltungsfunktionen, welche 
speziell und ausdrücklich den Organen des Reichs — 
Bundesrat, Kaiser, Reichstag und Reichsbehörden — 
übertragen worden sind (z. B. Auswärtige Verwaltung, 
Reichspostverwaltung), ist die gesamte Verwaltung den 
Einzelstaaten verblieben. Auf allen denjenigen Gebieten, 
hinsichtlich deren keine ausdrückliche Kompetenzerteilung 
an das Reich stattgefunden hat, sind die Einzelstaaten 
in bezug auf Gesetzgebung und Verwaltung vollkommen 
frei — hier bewährt sich also in vollstem Maße ihre 
staatliche Selbständigkeit.
	        
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