Full text: Hessische Verfassungsgesetze mit Einführung und Erläuterungen.

I. Von dem Großherzogtum u. dessen Regierung im allg. 37 
hat die sogenannte „Unverletzlichkeit“" des Landesherrn 
zufolge mehrfacher reichs= und landesrechtlicher Be- 
stimmungen einen präzisen Rechtsinhalt: Vor allem 
genießt der Großherzog als Landesherr gem. RStG. 
88 80, 94, 95, 98, 99 einen erhöhten Strafrechtsschutz; 
zum zweiten ist er kriminell nicht verfolgbar, da er „als 
Staatsoberhaupt niemanden über sich hat, der ihn richten 
könnte"“, endlich ist er aus dem gleichen Grunde auch 
politisch unverantwortlich, d. h. er hat bezüglich seiner 
Regierungsführung niemandem Rechenschaft zu geben. 
Dagegen besteht auf dem Gebiete des privaten Ver- 
mögensverkehrs eine zivilrechtliche Verpflichtbarkeit des 
Landesherrn, insoferne als dieser in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten, welche das Großherzogliche Privatvermögen 
oder die Großherzogliche Zivilliste betreffen, vor dem 
Oberlandesgericht in Darmstadt Recht nimmt. Für die 
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
vorkommenden Amtshandlungen ist, insoweit der Groß- 
herzog bei einer Angelegenheit beteiligt ist, der Staats- 
minister zuständig. Der Großherzog kann jedoch auch das 
Oberlandesgericht oder unter Umständen den nach den all- 
gemeinen Vorschriften für Amtshandlungen derbetreffenden 
Art zuständigen Beamten mit deren Vornahme betrauen.? 
Die vermögensrechtliche Stellung des Groß- 
herzogs ist unten in Abschn. II zu behandeln. 
1 Vgl. Frhr. v. Stengel, Bayr. Verf.-Urk. S. 36. — Der 
römisch-rechtliche Grundsatz „princeps legibus solutus est“ und 
der Satz des englischen Rechts „the king can de not wrong“ haben 
mit der „Unverletzlichkeit“ der deutschen konstitutionellen Monarchen 
nichts zu tun. 
2 Vgl. Gesetz, den Gerichtsstand und das gerichtliche Ver- 
fahren in Ansehung des Landesherrn und der Mitglieder des 
Großherzoglichen Hauses betreffend, vom 7. Juni 1879 i. d. F. 
v. 1. Januar 1900 (Röl. S. 275).
	        
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