Full text: Hessische Verfassungsgesetze mit Einführung und Erläuterungen.

III. Von den allgem. Rechten u. Pflichten der Hessen. 43 
eine reichhaltige Zusammenstellung sogenannter Grund— 
und Freiheitsrechte des Volkes nach dem Muster der 
droits publics des Français. Eine solche Aufzählung 
wurde zur Zeit der Entstehung der konstitutionellen Ver- 
fassungen für ein unentbehrliches Wesensmerkmal einer 
umfassenden Konstitution gehalten;!! man erblickte in 
ihr weniger eine Beschränkung der Willkür der Krone, 
als vielmehr eine Kompetenzregulierung zwischen Staat 
und Individuum, eine artikulierte Verbriefung des 
Mindestmaßes persönlicher, sozialer, wirtschaftlicher Frei- 
heit gegenüber aller und jeder öffentlichen Gewalt.? Ein 
großer Teil der in dem dritten Titel der HV. ausge- 
führten Rechte war den Hessen bereits vor Erlassung 
der Verfassung von Großherzog Ludewig I. aus eigener 
Machtvollkommenheit zuerkannt worden.* Die Bestim- 
mungen der Art. 12—36 hatten also zum Teil lediglich 
den Zweck und die Wirkung, den bisher schon bestehen- 
den Rechtszustand unter die Garantie der Verfassung zu 
stellen; zum Teile hatten sie auch nur programmatische 
Bedeutung und haben erst durch die spätere Landes- 
gesetzgebung ihre Verwirklichung gefunden. Ihre Geltung 
ist, wie aus den Anmerkungen zu den einschlägigen Ver- 
fassungsartikeln zu entnehmen ist, durch die konkurrierende 
Reichsgesetzgebung stark beeinflußt. — 
1 Vgl. den von dem Abg. von Gagern erstatteten Ausschuß- 
bericht über den Gesetzentwurf, die Sicherung der konstitutionellen 
Gesetze und Rechtsbestimmungen betreffend, L V. II. 1820, B. 2 
H. 4, Beil. 86 S. 51 ff. Aus diesem Gesetzentwurf (LV. II. 1820, 
B. 1 H. 2, Beil. 47 S. 55 ff.) ist der dritte Titel der HV. her- 
vorgegangen. 
2 Vgl. Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Be- 
griff der gesetzgebenden Gewalt rc. 2. A. Tübg. 1901, S. 50f. 
3 Vgl. den vorbez. Ausschußbericht des Abg. v. Gagern (LV. II. 
1820, B. 2 H. 4, Beil. 86 S. 59).
	        
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