62 II. Teil. Die Grundlagen des hess. Verfassungsrechts.
Zur Kategorie der Stadtgemeinden gehören erstens
ausnahmslos alle Orte mit mindestens 10000 Ein—
wohnern, sodann zweitens aus der Zahl der Gemeinden
mit 3000 bis 10000 Einwohnern diejenigen Orte, welche
auf ihren Antrag durch den Großherzog der Städteord—
nung unterstellt worden sind. Alle übrigen Gemeinden —
insbesondere also alle Orte mit unter 3000 Einwohnern —
bilden die Gruppe der Landgemeinden.“
Die verfassungsmäßigen Organe der Stadtgemeinde
sind einerseits der Bürgermeister als Obrigkeit der Stadt,
andererseits die Stadtverordnetenversammlung als Stadt—
vertretung. Der Bürgermeister ist, nach der präzisen, auch
schon für den heutigen Rechtszustand zutreffenden De—
finition des Regierungsentwurfs von 1905 (S. 231), „ver-
antwortliche und ausführende Gemeindebehörde“, wäh-
rend die Stadtvertretung „beschließend und kontrollierend
schlechthin als gleichbedeutend behandelt, wobei hierunter Bürger-
meister, Beigeordnete und Stadtverordnetenversammlung, bezw.
Gemeinderat als eine Gesamtheit zusammengefaßt werden (vgl.
z. B. Küchler II, S. 119), bald werden Bürgermeister und Stadt-
verordnetenversammlung jedes für sich allein als Gemeindevorstand
bezeichnet (vgl. z. B. Cosack S. 83) oder es wird die Bezeichnung
„Gemeindevorstand“ für Bürgermeister und Stadtverordnetenver-
sammlung zusammen angewendet (vgl. St O. Uberschrift zu Tit. II
Abschn. 1) usw. — Ein unzweifelhaft richtiger Sprachgebrauch be-
steht in der hess. Gesetzgebung bisher nur insofern, als unter
„Obrigkeit“ der Gemeinde stets nur der Bürgermeister verstanden
wird (vgl. St O. Art. 10, LGO. Art. 10). — Der Regierungsent-
wurf von 1905 (vgl. S. 231) schafft in der genannten Bezeichnung
erfreulicherweise die wünschenswerte Klarheit.
1 Nach dem Statist. Handbuch f. d. Gr. H.-Darmstadt 1903
zählte Hessen Ende 1902 insgesamt 993 Gemeinden, worunter
8 Gemeinden, in welchen die Städteordnung eingeführt war, und
60 Gemeinden, welche nur nach Herkommen die Benennung Stadt
führten (s. S. 3 a. a. O.).