74 II. Teil. Die Grundlagen des hess. Verfassungsrechts.
durch neue Wahlen ersetzt wird;! im übrigen findet
während der Dauer von sechs Jahren eine Neuwahl
von Abgeordneten nur in den gesetzlich bestimmten
Fällen statt. (W. Art. 48.)
II. Die kollegialen Rechte der Landstände.
1. Die verfassungsmäßige Stellung der Land-
stände im allgemeinen.
Die Fixierung der grundsätzlichen Rechtsstellung
des Landesherrn einerseits und der Volksvertretung
andererseits findet sich so, wie sie in den Art. 4 und
66 HV. erfolgt ist, beinahe wörtlich vorgezeichnet in
dem Art. 57 der „Schluß-Acte der über Ausbildung
und Befestigung des Deutschen Bundes zu Wien ge-
haltenen Ministerial-Conferenzen vom 15. Mai 1820“:2
Dem monarchischen Prinzipe entsprechend sind hiernach
die Stände im Gegensatze zum Landesherrn, der der
präsumptive Träger aller aus der Staatsgewalt abzu-
leitenden Befugnisse ist, nur befugt, sich ausschließlich
mit denjenigen Gegenständen zu befassen, welche durch
die Verfassung (und spätere Verfassungsgesetze) aus-
drücklich zu ihrem Wirkungskreise verwiesen sind;
überschreiung dieser Befugnis gilt nicht nur als vei
letzung des von den Volksvertretern geleisteten Ver—
fassungseides, sondern sie ist zudem „gesetzwidrig und
strafbar“ (vgl. HV. Art. 66 Abs. 2 u. 63 Abs. 2, Polizei-
strafgesetz vom 30. Oktober 1855, Art. 78 Satz 2).
1 Bei der ersten Partialerneuerung der Kammer wurden die
Personen der Ausscheidenden durch das Los bestimmt.
2 Vgl. Klüber, Quellen = Sammlung zu dem öffentlichen
Recht des Deutschen Bundes, 3. A. 1880 F. 180 ff. — Uber die
Entstehungsgeschichte der Schlußakte vgl. Aegidi, Die Schluß-
Atee 2c., I. Abt. Berlin 1860, u. Ilse, Protokolle der deutschen
Ministerial-Conferenzen rc., Frankfurt a. M., 1860.