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oder auch nur zur Erreichung eines nach den Umständen möglichst günstigen Zustandes äußerlich
oder innerlich angewendet wird. Geht man hiervon aus, so muß es aber, ohne daß es einer des-
sallsigen näheren Beweisführung bedürfen könnte, als feststehend betrachtet werden, daß ein Kranker
insbesondere auch ein Geisteskranker, welcher als solcher in ein Hospital ausgenommen wird, dort
zum Gegenstande ärztlicher Behandlung unter Anwendung von Heilmitteln in obigem Sinne werde.
Denn die Einrichtung einer solchen Anstalt bringt es schon mit sich, daß jeder in dieselbe Auf-
genommene der ärztlichen Fürsorge in einem gewissen Maße theilhaftig und zum Gegenstande ärzt-
icher Verordnungen in dem obigen Sinne werde, letzteres umsomehr, als schon die dortige, von
derjenigen eines Gesunden jedenfalls abweichende, seinem Krankheitszustande angepaßte Verpflegung
und sonstige Vehandlung des Kranken sich nothwendigerweise nach ärztlichen allgemeinen oder speziell
für den einzelnen Kranken gegebenen Bestimmungen regelt.
Hierdurch wird aber im vorliegenden Fale für den Armenverband Köln der Anspruch auf
den Tarissatz von 1 Sgr. täglich ausreichend begründet, da die N. N. als Geisteskranke in das
Bürgerhospital ausgenommen worden und deshalb ohne weiteren Bewels angenommen werden
muß, daß ihr in derselben auch eine ärzlliche Behandlung zu Theil geworden sei, so daß, wenn
auch Gebühren der festsalarirten Armenärzte außer Berechnung bleiben müssen, doch der Anspruch
bezüglich der bei dieser Behandlung zur Anwendung gebrachten Heilmittel gerechtfertigt erscheint.
In Sachen Stenderup wider Toftlund hat das Bundesamt für das Heimathwesen am 20. Oklober 1873
in Ueberelnstimmung mit früheren Entscheidungen angenommen, daß bei Auflösung eines Armenverbandes in
mehrere Verbände nicht ohne Weiteres eine Naturaltheilung der Armenlast eintrete.
Der zur Entscheidung vorgelegene Fall ergiebt sich aus Nachstehendem:
In dem früheren Gesammt-Armenverbande des Kirchspiels Toftlund, welchen die Gemeinden
Toftlund, Allerup und Stenderup bildeten, war unbestriiten ortsangehörig der vor längerer Zeil
der Armenpflege anheimgefallene Arbeiter N. mit seiner Ehefrau.
Am 1. Februar 1872 wurde der Kirchspiels-Armenverband Toftlund aufgelöst und in zwei
neue Armenverbände Tostlund mit Allerup und Stenderup getheilt. Da die neu gebildeten Ver-
bände über die Vertheilung der vorhandenen Ortsarmen sich nicht zu elnigen vermochten, so entstand
ein Prozeß vor der Schleswig-Holsteinischen Deputatlon für das Heimathwesen, in welchem Tostlund
von dem Armenverband Stenderup die Uebernahme derjenigen Ortsarmen beanspruchte, welche in
dem dortigen Gemeindebezirk geboren waren, oder 15 Jahre gewohnt hatten.
Nach Abweisung dieser Klage wegen mangelhafter Begründung und ungulässiger Klagenhäufung
hat Toftlund jetzt auf's neue Klage erhoben, welche speziell die Armenpflege für die Eheleute N.
zum Gegenstande hat und deren alleinige Versorgung nebst Ersatz der seit 1. Februar 1872 aufge-
wendeten Unterstützung von Stenderup fordert. Die Klage gründet sich darauf, daß N. im Gemeinde-
bezirk Stenderup am 24. Juli 1826 geboren sei, ein anderweitiges Heimathrecht als das Geburts=
heimathrecht in Stenderup später nicht erworben habe, und Stenderup als Heimathort nach §. 65,
Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 hiernach der Unterstützungswohnsitz der N.'schen Ehe-
leute sei, welche jetzt in Pughol (Armenverband Tostlund) wohnend, vom Kläger wegen ihrer Hülfs-
bedürftigkeit vorläufig unterstützt werden mußten. Verklagter hat Abweisung der Klage beantragt,
weil die Vertheilung der gemeinschaftlichen Armenlast lediglich nach den in §. 17 des preußischen
Gesetzes vom 8. März 1871 für die Theilung der Vermögensrechte aufgestellten Grundsätzen zu
erfolgen habe, und die Geburt in dem einen oder dem anderen Orte des früheren Verbandes keinen
Maßstab für die Vertheilung der einzelnen Ortsarmen abgebe, ist aber in erster Instanz nach Fest-
stellung der ehelichen Geburt des N. in Stenderupgaarde (Bezirk Stenderup) zur Erstattung der
vom Kläger nachträglich liquidirten Aufwendungen seit 1. Februar 1872 veuurtheir worden. Die
Motive des ersten Erkenntnisses heben hervor, daß die Armenlast keine privatrechtliche Verpflichtung
sei und deshalb nicht der Regulirung nach §. 17 leg. eit. unterliege. Vielmehr müsse der Unter-