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Seite 35, 36 auf den Standpunkt, daß zwar durch diesen Artikel 18 das Reich auch dasjenige
zu zahlen übernommen habe, was den Hinterbliebenen an Gnadenquartalen u. s. w. gebühre,
daß aber diese Verpflichtung nur so übernommen worden sei, wie sie im einzelnen Bundesstaate
bestanden, also für Mecklenburg nur als eine durch die Gesetzgebung veränderliche. — Diese Be—
gründung ist durch die oben vorausgeschickte Nachweisung, daß der in Frage stehende Anspruch
als ein mit der Anstellung erworbenes Recht durch ein dieser nachfolgendes Gesetz nicht beein—
trächtigt werden könne, bereits zur genüge widerlegt. — Aber auch die Behauptung ist eine
irrthümliche, daß durch den 8. 7 des Reichsbeamtengesetzes eine Aenderung getroffen worden
sei. — Weil der Anspruch ein Recht ist, das schon vor dem Eintritte in den Reichsdienst dem
Beamten zugestanden hatte, so ist auf ihn das im Artikel 18 enthaltene Anerkenntniß unzweifel-
haft zu beziehen.
Es kann unerörtert bleiben, ob dieser Artikel allgemein oder nur für Baden, Hessen
und Württemberg mit der in den Verträgen vom 15. und 25. November 1870 niedergelegten
beschränkenden Erläuterung zu verstehen sei; denn, wenn durch diese Beschränkung nicht der
Artikel selbst wieder aufgehoben sein soll, so kann sie keinen Falls auf das Sterbe- und die
Gnadenquartale bezogen, sondern darf ihr nur, wie die Großherzogliche Justizkanzlei zutreffend
ausgeführt hat, Bedeutung betreffs der dauernden Leistungen und Beiträge aus Pensions= und
Wittwenfonds beigemessen werden.
Hierfür spricht der Wortlaut der Erläuterung und die Natur der Sache, da die ver-
schiedenartige Gestaltung der Pensionskassen und der Beitragsleistungen zu solchen es sehr erklärlich
macht, daß das Reich in deren Verpflichtungen nicht eingetreten ist, zumal es sich dabei mitunter
nicht um Verbindlichkeiten des Heimathslandes als solchen, sondern um solche von Instituten
handelt, denen eine vom Fiskus getrennte, selbständige Persönlichkeit zusteht. — «
Bei dieser Auslegung befindet sich der 8. 7 des Reichsbeamtengesetzes, der sich in keiner
Weise als Aenderung der Verfassung, d. i. des Artikels 18, zu erkennen giebt, auch nicht
als, folche behandelt worden ist, mit dem zweiten Absatze dieses Artikels 18 völlig im
nklange. =
Es kann nämlich nach dem ganzen Zusammenhange dieses §. 7 der unmittelbaren Ver-
bindung der Worte: „unbeschadet jedoch weitergehender Ansprüche, welche dem Beamten vor
Erlaß dieses Gesetzes und vor Eintritt in den Reichsdienst zugestanden worden sind“ mit dem
Gnadengquartale, sowie nach der Geschichte der Entstehung dieses Zwischensatzes, keinem gegründeten
Zweifel unterliegen, daß unter diesen weitergehenden Ansprüchen eben die Ansprüche auf Gnaden-
quartale gemeint sind. — Vergleiche Stenographische Berichte 1872 II., Seite 890.
Das Verhältniß der Berathungen und der Beschlußfassung über dieses Amendement zu
§. 7 zum Artikel 18 der Verfassung ist einfach folgendes:
Weil nach der Erläuterung zu Artikel 18 im Protokolle vom 15. November 1870 das
Reich die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Pensionen und dauernde Unterstützungen nicht über-
nimmt, war die von den Abgeordneten Kanngießer und Marquardsen unterstützte Resolution
veranlaßt. Weil dagegen durch den Artikel 18 die Ansprüche auf die Gnadenquartale gewähr-
leistet waren und hierauf sich die Beschränkung im erwähnten Protokolle nicht bezog, so konnte,
um jedem Zweifel zu begegnen, die Einschaltung in den §. 7 vorgeschlagen und dabei, wie es
in dem vom Reichstag angenommenen Amendement der Fall war, geradezu auf den Absatz 2
des Artikels 18 hingewiesen werden.
Hiernach hat der 8. 7 des Reichsbeamtengesetzes nicht nur nichts an der Verfassung
geändert, sondern geradezu anerkannt, daß die Gnadenquartale zu denjenigen Ansprüchen gehören,
welche dem Beamten zugestanden worden sind.
Wenn sich Appellantin noch darauf beruft, daß in diesem §s. 7 es der Dienstbehörde
vorbehalten sei, zu bestimmen, an wen die Zahlung des Gnadengquartals zu leisten sei, so mag
dagegen darauf hingewiesen werden, daß hiermit nur eine Ordnungsvorschrift darüber gegeben
ist, von welcher Behörde diejenigen Angehörigen ermittelt werden sollen, welchen der Anspruch
auf die Leistung zusteht, die mit dem Tode des hierzu berechtigten Beamten fällig geworden ist.
Auch aus §. 149 des Reichsbeamtengesetzes kann keinerlei Folgerung zu Gunsten der
Appellantin gezogen werden, da es in der Natur der Sache liegt, daß Rechtsansprüche auf die