Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Siebenter Jahrgang. 1879. (7)

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Darüber, inwieweit etwaige Pensionsansprüche des Unterstützten der Erstattungsklage des vorläufig 
verpflegenden Armenverbandes entgegenstehen, hat sich das Bundesamt für das Heimathwesen in dem Er- 
kenntniß vom 29. März 1879, betreffend die Streitsache Berlin gegen Groß-Schneen, wie folgt, ausgesprochen: 
Dem ersten Richter ist darin beizutreten, daß der pensionirte Gendarm Karl D. während 
seiner zweimaligen Verpflegung im St. Hedwig-Krankenhause zu Berlin, deren Kosten Kläger 
auf sofortiges Anfordern der Krankenhausverwaltung auf Armenfonds übernommen hat, nicht 
gänzlich und fortdauernd von paraten Mitteln zur eigenen Bestreitung der Kurkosten entblößt 
war. Denn wie durch die in jetziger Instanz vervollständigte Beweisaufnahme festgestellt ist, hat 
D. während seines Aufenthaltes im Krankenhause zwei Monatsraten seiner Pension im Betrage 
von je 52,50 — erhoben und zwar am 1. Februar und 3. April 1877, während die in der 
Mitte liegende Monatsrate von ihm am 2. März 1877, also innerhalb des siebentägigen 
Zwischenraums zwischen der ersten und zweiten Verpflegung einkassirt worden ist. Daß er diese 
Rate vor dem 7. März, dem Tage der Wiederaufnahme in das Krankenhaus, anderweit ver- 
wendet hat und am 7. März von Mitteln entblößt war, ist nicht ausgeschlossen. Dagegen unter- 
liegt es keinem Zweifel, daß die beiden anderen Raten, welche er während der Verpflegung erhob 
oder erheben ließ, zur Bestreitung der Kurkosten, wenigstens des größten Theils derselben, dis- 
ponibel waren. Hat Kläger keine Kenntniß davon erlangt, so ist dies seine eigene Schuld, da 
er durch die Rezeptionsverhandlung von dem Pensionsanspruche des Verpflegten unterrichtet war. 
Wären die zwei zur Verfügung stehenden Pensionsraten von zusammen 105 „X dem Kläger 
zugeflossen, so würden seine Aufwendungen für D. in demjenigen Betrage, welchen er der 
Krankenhausverwaltung hat zahlen müssen (140 %, bis auf 35 1¾ gedeckt worden sein. Er 
war, wie das Bundesamt wiederholt entschieden hat, berechtigt, die Zahlung aus den Mitteln 
des Hülfsbedürftigen zunächst auf denjenigen Theil seiner Forderung zu rechnen, für welchen der 
solidarisch mitverpflichtete verklagte Armenverband nicht haftete, nämlich auf den die tarifmäßigen 
Pauschquanta übersteigenden Betrag der Kurkosten (Wohlers Entscheidungen III p. 65, VIII 
p. 93 f., IX p. 114 f.). Verklagter hat demgemäß noch 35 J“ zu erstatten. Die gegen- 
theilige Ansicht des ersten Nichters beruht auf der irrigen Voraussetzung, daß der preußische Tarif 
nicht blos der Ersatzforderung zwischen Armenverbänden eine Grenze ziehe, sondern nach der 
Intention des Gesetzgebers auch das zulässige Maß der Unterstützung fixrire. (Vergl. Wohlers 
Entscheidungen IX p. 111 f., 114 f.) 
Allerdings würde jeder Erstattungsanspruch wegfallen, wenn D. als zahlungsfähiger Kranker 
nicht im Wege der Armenfürsorge in der Krankenanstalt verpflegt worden wäre, oder doch, wie 
Verklagter behauptet, der Armenfürsorge überhaupt nicht bedurft hätte. Allein die erstgedachte 
Annahme widerlegt sich durch Einsicht der vorgelegten Verwaltungsakten des Klägers. Darnach 
hat sich die Verwaltung der Krankenanstalt auf das von D. gemachte Anerbieten, die Kurkosten 
nach seiner Genesung zahlen zu wollen, nicht eingelassen, sondern alsbald die Armenverwaltung 
wegen Uebernahme der Fürsorge in Anspruch genommen, welche auch zugesagt worden ist. Es 
kann also nicht die Rede davon sein, daß die Kosten der in Streit befangenen Verpflegung von 
der Krankenanstalt dem D. kreditirt seien. Die Nothwendigkeit der Armenpflege überhaupt aber 
wird vom Verklagten ohne hinreichenden Grund bestritten. Wenn die verehelichte D. zur Zeit 
der Verpflegung selbst noch das angegebene geringe Vermögen besessen hätte, was von ihr in 
Abrede gestellt wird, so würde deshalb Kläger seine Fürsorge nicht haben ablehnen dürfen, da 
das Vorhandensein zur Alimentation verpflichteter und fähiger Privatpersonen die Hülfsbedürf- 
tigkeit an sich nicht ausschließt. Nur wenn Privatverpflichtete thatsächlich für das Bedürfniß 
genügend Sorge tragen, ist die Intervention der Armenpflege entbehrlich. Ebensowenig war der 
Pensionsanspruch des D. geeignet, von vornherein jede Hülfsbedürftigkeit auszuschließen. Erst 
als die Forderung des D. zur Realisirung gelangte, gewährte sie verfügbare Mittel zur Deckung 
der Kurkosten. 
 
	        
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