Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Elfter Jahrgang. 1883. (11)

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gewesenen unverehelichten Julie L. verauslagt hat, zurückgewiesen. Derselbe erachtet zwar zutreffend ein 
Gesindedienstverhältniß nicht für vorliegend, geht jedoch darin fehl, wenn er den Klageanspruch deswegen für 
hinfällig hält, weil die 2c. L. als Gewerbegehülfin des W. anzusehen sei. Bei dem Betriebe eines Restau- 
rationsgeschäfts kann als wesentliche Thätigkeit nicht das in der Hauptsache auf eine rein mechanische Ver- 
richtung hinauslaufende Serviren der Speisen und Getränke angesehen werden, vielmehr ist die vom geschäft- 
lichen Gesichtspunkte aus zu bestimmende Leitung und Organisirung des Gewerbetriebes das Wesentliche. 
Entscheidend ist sonach der Einkauf der Lebensmittel, die Bestimmung der Preise und die nähere Fesistellung 
aller sonstigen Bedingungen, unter welchen die Getränke und Speisen verabreicht werden sollen. Als Gewerbe- 
gehülfe eines Restaurateurs könnte mithin nur eine Person gelten, welche bei Verrichtung jener wesentlichen 
Thätigkeiten Hülfe leistet, nicht eine lediglich mit der Bedienung der Gäste betraute Kellnerin. Diese ist nur 
eine Bedienstete, welche der Restaurateur bei dem Betriebe seines Gewerbes gebraucht, wie der. Kaufmann 
den Markthelfer. 
Da sonach der einzige Grund hinfällig wird, weswegen Beklagter die Erstattung des Restbetrages 
der seitens des Klägers aufgewendeten Kosten verweigert, so war Beklagter in Abänderung des ersten Er- 
kenntnisses nach dem Klageantrage zu verurtheilen. 
  
Aehnlich ist die Ausführung in dem Erkenntnisse vom 5. Mai 1883 in der Streitsache des Orts- 
armenverbandes Berlin wider den Ortsarmenverband Marienburg, in welcher es sich um Pflegekosten für die 
bei dem Cafetier W. zu Berlin als Kellnerin thätig gewesene T. handelte. 
Nachdem in dem Erkenntnisse zunächst dargelegt worden, daß ein Gesindedienstverhältniß nicht vor- 
liege, heißt es in den Gründen weiter: 
Es könnte sich noch fragen, ob die 2c. T. nicht als Gewerbegehülfin anzusehen sei. Auch dies war 
zu verneinen. Daß die 2c. T. für die Ausübung des Restaurationsgeschäfts besonders vorgebildet gewesen sei, 
also namentlich sich die für zweckentsprechende Beschaffung der den Gästen vorzusetzenden Speisen und Getränke 
erforderlichen Kenntnisse angeeignet gehabt habe, ist nicht einmal behauptet. — Sie hat eben nur nach einer 
einzelnen Richtung hin — Bedienung der Gäste — ihrem Arbeitsgeber Hülfe geleistet. Sie kann daher als 
Gewerbegehülfe im Sinne des Unterstützungswohnsitzgesetzes vom 6. Juni 1870 nicht angesehen werden und 
Kläger war nicht verpflichtet, sie 6 Wochen hindurch ohne Ersatzanspruch zu verpflegen. 
1. Eine rechtswidrige Abschiebung ist schon dann anzunehmen, wenn ein Armenverband 
einem Hülfsbedürftigen, wenn auch auf seinen Wunsch, die Mittel oder Gelegenheit zur 
Entfernung von dem Orte seines Aufenthalts gewährt hat. 
2. Die in Abs. 2 des §. 29 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 angeordnete Anmelde- 
frist gilt nur in dem Verhältniß des Armenverbandes des Dienstortes zu demjenigen 
des Unterstützungswohnsitzes. 
Der Müllergeselle D. ist vom 31. März bis 12. Mai 1881 in der städtischen Krankenanstalt zu 
Königsberg verpflegt worden. D. war nach Königsberg von Mühle Mahnsfeld hergekommen, wo er bei dem 
Gutsbesitzer G., dem Vorsteher des dortigen Gutsbezirks, in Dienst gestanden und bereits fünf Wochen lang 
Pflege und ärztliche Behandlung genossen hatte. 
Der Ortsarmenverband Königsberg behauptete, daß sich der Gutsarmenverband Mühle Mahnsfeld 
widerrechtlich seiner Fürsorgepflicht entledigt habe, und belangte deshalb denselben wegen Erstattung der ent- 
standenen Kosten. 
Der Beklagte wandte ein, daß D. bereits krank von Königsberg her nach Mühle Mahnsfeld ge- 
kommen sei, und daß er denselben nicht mit Gewalt in Mahnsfeld habe zurückhalten können, da D. unter 
Verzicht auf die Weiterverpflegung daselbst sich aus freien Stücken nach Königsberg zurückbegeben habe, um 
sich dort, wo er sich die Krankheit zugezogen, weiter verpflegen zu lassen. Beklagter erhob ferner den Ein- 
wand der Verjährung, da Kläger den Pflegefall nicht innerhalb der in §. 29 Abs. 2 des Reichsgesetzes vom 
6. Juni 1870 angeordneten Frist angemeldet habe, und erklärte sich mir Rücksicht darauf, daß er den D.
	        
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