8 60b. Gerichtliche und notarielle Beurkundung. 225
In einigen Staaten kann in den Fällen c, d statt des Gerichtsschreibers eine Orts-
gerichtsperson als „Urkundsperson“ zugezogen werden (EG. 149; R. JG. 198; sächs. Ges.
v. 15. 6. 00 § 51; FG. Altenb. 35).
3. a) Ist eine gerichtlich oder notariell zu beurkundende Erklärung
empfangsbedürftig, so ist sie — gerade wie eine schriftlich abzugebende empfangs-
bedürftige Erklärung — erst dann vollendet, wenn sie in ihrer urkundlichen
Gestalt mit dem Willen der Partei dem Empfänger vorgelegt oder ausge-
händigt wird (s. oben S. 220 5).
Nicht entgegensteht die oben 207 besprochene Vorschrift von BGB. 152, weil es sich
bei dieser um eine „stille“, also nicht empfangsbedürftige Annahmeerklärung handelt.
b) Sind bei einem Vertragsschluß die Erklärungen beider Parteien ge-
richtlich oder notariell zu beurkunden, so brauchen diese Erklärungen — anders
als im Fall der Schriftlichkeit — nicht einheitlich in einer einzigen Urkunde
zusammengefaßt zu werden, sondern jede Partei kann ihre Erklärung getrennt
für sich abgeben und beurkunden lassen (128).
Beispiel. Wenn A. dem B. eine Mietwohnung auf fünf Jahr notariell zur Miete
anbietet und B. ebenfalls notariell diesen Antrag annimmt, so gilt die Miete für die be-
dungenen fünf Jahre, während sie, wenn beide Erklärungen nur privatschriftlich abgegeben
wären, bloß auf unbestimmte Zeit gegolten hätte. Der Grund ist nicht, daß für eine fünf-
jährige Miete ein privatschriftlicher Vertrag, sondern daß für einen privatschriftlichen Ver-
trag die getrennte Beurkundung von Antrag und Annahme nicht ausreicht.
Soll eine Versteigerung gerichtlich oder notariell beurkundet werden, so braucht
das Protokoll nur solchen Bietern vorgelesen und auch nur von solchen Bietern genehmigt
und unterschrieben zu werden, die an ihr Gebot gebunden bleiben; entfernt sich ein solcher
Bieter vor dem Schluß der Verhandlung, so kann auch in Ansehung seiner die Vorlesung,
Genehmigung und Unterzeichnung des Protokolls unterbleiben, vorausgesetzt, daß der Grund
davon im Protokoll vermerkt wird. (R. FG. 181).
Tc) Von den Besonderheiten, die bei der gerichtlichen oder notariellen Be-
urkundung der familienrechtlichen Rechtsgeschäfte und der Verfügungen von
Todes wegen gelten, soll erst im Familien= und Erbrecht gehandelt werden.
4. Ist bei der Abgabe einer Erklärung eine einzige der soeben geschilderten
Formvorschriften nicht beobachtet, so gilt die Erklärung im Sinn des Gesetzes
nicht als gerichtlich oder notariell beurkundet.
Beispiel. Bei der notariellen Beurkundung eines zwischen A. und B. abgeschlossenen,
25 verschiedene kleine Grundstücksparzellen betreffenden Kaufvertrages übersieht der Notar,
wie nachträglich durch einen entlassenen Schreiber verraten wird, beim Vorlesen eine Nummer,
obschon sie im Text des Protokolls gerade so gut steht wie die Nummern der andern Par-
zellen. Hier ist der Kauf, soweit er jene Parzelle betrifft, nicht vorgelesen, also auch nicht
notariell beurkundet; er ist demnach ungültig (313).
Anders natürlich, wenn die nicht beobachtete Formvorschrift eine bloße Ordnungs-
vorschrift ist. Beispiele. I. Eine notarielle Urkunde ist ungültig, wenn am Schluß der
Bermerk „vorgelesen, genehmigt, unterschrieben“ ganz fehlt; er ist gültig, wenn der Vermerk
mit den Buchstaben „v. g. u.“ abgekürzt ist. Freilich ist das letztere ebenso vorschriftswidrig
wie das erstere; jenes widerspricht aber einer Muß-, dieses nur einer Sollvorschrift. “ II. Der
Notar A. läßt sich zur Beurkundung eines zwischen B. und C. abgeschlossenen Grundstücks-
kaufs herbei, obschon er nur einige Brocken polnisch versteht, während B. Pole ist und kein
6) R. 53 S. 152.
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 1. 15