348 Buch I. Abschnitt 6. Eigenmächtige Rechtsausübung.
steht nur dem Besitzer und seinen Vertretern zu, nicht jedem beliebigen Dritten
(859, 860).
b) Ahnlich ist das Recht des Vermieters, Verpächters und Gastwirts,
die Entfernung der ihrem Pfandrecht unterworfenen Sachen von dem Miet-
oder Pachtgrundstück oder Gasthause gewaltsam zu hindern und sich, wenn
der Mieter, Pächter oder Gast auszieht, gewaltsam in den Besitz der Sachen
zu setzen (561, 581 II, 704).
5. Noch schärfer ist das Privatpfändungsrechts, das in vielen
Gegenden Deutschlands landesrechtlich anerkannt ist (EG. 89). In Preußen
hat es folgende Gestalt angenommen (Preuß. Ges. v. 1. 4. 1880 §8 77 ff.).
a) Das Pfändungsrecht gilt nur zugunsten land= oder forstwirtschaftlich
benutzter Grundstücke einschließlich städtischer Gärten; für Gebäude, Bergwerke
u. dgl. gilt es nicht. Es greift nur Platz, wenn ein Grundstück entgegen einer
feld= oder forstpolizeilichen Vorschrift von fremdem Vieh betreten wird. Gleich-
gültig ist, ob das Vieh dabei Schaden anrichtet. Gleichgültig ist ferner, ob
das Vieh allein ist oder von Menschen begleitet wird; namentlich ist, wenn
jemand über ein fremdes Grundstück fährt oder reitet, eine Pfändung der
Reit= und Wagenpferde zulässig. Gleichgültig ist schließlich auch, ob obrigkeit-
liche Hülfe nicht zu erlangen und Gefahr im Verzuge ist; gerade hierin geht das
Pfändungsrecht über das allgemeine Recht des Notangriffs weit hinaus.
b) Pfändungsberechtigt ist nicht bloß der Eigenbesitzer, sondern auch der
Nießbraucher und Pächter des Grundstücks, ebenso jeder Familienangehörige
oder Angestellte des Berechtigten, endlich auch ein Feldhüter.
c) Die Pfändung („Schüttung") darf nur auf frischer Tat geschehn.
d) Während nach Notwehrrecht der Grundstücksbesitzer darauf beschränkt
ist, übertretendes Vieh wegzujagen, ist er nach Pfändungsrecht befugt, gerade
umgekehrt das Vieh festzuhalten. Sind mehrere Stücke Vieh übergetreten, so
dürfen nur soviel festgehalten werden, als für den Pfändungszweck erforderlich
ist. Natürlich darf das gepfändete Vieh nicht etwa getötet werden, ist vielmehr
sorglich zu pflegen. Andre Sachen als Vieh dürfen nicht gepfändet werden;
wohl aber muß der Pfändende, wenn der Gepfändete ihm freiwillig eine andre
geeignete Sache als Pfand anbietet, sie nehmen und das Vieh freigeben.
e) Die Pfändung hat den Vorteil, daß sie den Eigentümer des gepfändeten
Viehs meist zur gütlichen Einigung mit dem pfändenden Grundstücksbesitzer
veranlaßt. Auch gibt sie dem Pfändenden wegen seiner Forderung auf
Schadensersatz oder Ersatzgeld ein Pfandrecht an dem gepfändeten Vieh.
!) Im Streitfall muß der Pfändende die Rechtmäßigkeit der Pfändung
nachweisen, also namentlich dartun, daß das gepfändete Vieh wirklich sein
8) Wilda, Ztschr. f. D. Recht 1 S. 167; v. Meibom, Pfandrecht (67) S. 190; Nägeli,
d. germ. Selbstpfändungsrecht (76); Brunner 2 S. 445.