8 120. Bisheriges Recht. 475
getreten: Zinsvereinbarungen bis zu dem Maximum sollten gültig, Zins-
vereinbarungen darüber hinaus sollten ungültig sein.
c) Im Lauf des vorigen Jahrhunderts ist auch die Bestimmung eines
festen Zinsmaximums aufgegeben, außer in Elsaß-Lothringen.!0 An ihre Stelle
trat anfänglich volle Freiheit des Zinswuchers; nur ein einziger bescheidener
Schutz wurde den Zinsschuldnern insofern gewährt, als sie, wie schon erwähnt,
eine auf mehr als 6% festgesetzte Zinsschuld unter Einhaltung gewisser
Fristen durch Kündigung und Tilgung der Kapitalschuld abschütteln konnten,
und auch diese Schranke ist nur in einem Teil Deutschlands anerkannt
worden.17 Erst das Reichsgesetz vom 24. Mai 1880 hat sich wieder von der
Freiheit des Zinswuchers abgekehrt; seine Regeln stimmen, soweit sie den
Zinswucher betreffen, im wesentlichen mit den jetzt geltenden Vorschriften des
bürgerlichen Gesetzbuchs überein.
2. a) Ein Verbot des Sachwuchers hat sich erst viel später entwickelt als
das Verbot des Zinswuchers. Insbesondre ging noch das oben erwähnte
Reichsgesetz vom 24. Mai 1880 über den Sachwucher schweigend fort, und
auch das zur Ergänzung dieses Gesetzes ergangene Reichsgesetz vom 19. Juni
1893 stellte den Sachwucher dem Kreditwucher nur unter der Voraussetzung
gleich, daß er gewerbs= oder gewohnheitsmäßig betrieben wurde.
b) Als Ersatz eines allgemeinen Verbots des Sachwuchers galt im Mittel-
alter ein Spezialverbot gewisser besonders wucherverdächtiger Geschäfte. So
wurde namentlich der Verkauf von Früchten auf dem Halm entweder ganz
verboten 18 oder nur zu dem Marktpreise erlaubt, der zur Zeit des Verkaufs
galt oder vierzehn Tage nach der Ernte gelten würde.! So wurde nach
römischem Vorbilde ein Geschäft, bei dem eine Partei außerordentlich ge-
schädigt wurde, der Anfechtung wegen laesio enormis unterworfen; freilich
war das Gebiet, auf dem dies Anfechtungsrecht Platz greifen sollte, sehr ver-
schieden bemessen: nach bisherigem gemeinen Recht sollte die Anfechtungs-
befugnis sowohl dem Verkäufer, der die Sache unter dem halben Wert ver-
schleudert, als auch dem Käufer, der die Sache doppelt zu teuer gekauft hatte,
zustehn, während nach preußischem Landrecht nur der geschädigte Käufer, nach
französischem Recht nur der geschädigte Verkäufer zur Anfechtung befugt
war.20 So wurde auch die römische lex Anastasiana bei uns rezipiert, die
bestimmte, daß der Käufer einer Forderung, der einen hinter dem Neunwert
der Forderung zurückbleibenden Kaufpreis ausgemacht hatte, vom Schuldner
16) Bad. Landrecht Satz 1907a; württemb. Ges. v. 1839; sächs. Ges. v. 1864 usw.;
zuletzt nordd. Bundesgesetz vom 14. Nov. 1867 (nicht eingeführt in Bayern und Elsaß-
Lothringen). Siehe Hinschius in s. Ztschr. f. Gesetzgeb. u. Rechtspflege Bd. 2.
17) Siehe oben bei Anm. 5.
18) Kapitular Karls d. Gr. v. 809; pr. LR. II, 7, § 12.
19) RPolizeiordn. v. 1577, 19 § 3.
20) Windscheid 2 §5 396 10; pr. LR. I, 11 § 59; c. c. 1674.