8 144. Pflichten des Dienstschuldners. 599
4. Eine Erweiterung der Pflichten des Dienstschuldners tritt bei den An-
stellungsverträgen ein. Hier wird nämlich der dem „Diener“ obliegende Dienst
meistens sehr allgemein und unbestimmt angegeben; die nähere Bestimmung
der Art, der Zeit und des Orts der Dienstleistung hängt alsdann, innerhalb
der von der Sitte gezogenen Grenzen, von dem billigen Ermessen des „Dienst-
herrn“ ab. Auch muß der Diener dem Dienstherrn mit Ehrerbietung be-
gegnen; er muß sich eine Vorhaltung und sogar einen Tadel seitens des
Herrn gefallen lassen, während ein „freier“ Dienstschuldner den unzufriedenen
Dienstberechtigten einfach auf den Weg der Klage verweisen kann; er muß
endlich angemessene Wünsche oder Befehle des Herrn sogar in seinem außer-
dienstlichen Leben beachten.
Diese Regeln scheinen etwas unbestimmt zu sein. Doch gestatten sie an dieser Stelle
eine genauere Formulierung nicht. Denn sie sollen hier ja für alle Arten der Anstellungs-
verträge, für die vornehmsten wie für die geringsten, formuliert werden. Daß die Regeln
trotzdem außerordentlich wichtig sind, wird sofort klar, wenn eine der Parteien mit Rücksicht
auf das Benehmen der Gegenpartei den Dienst kündigt; denn eine solche Kündigung ist ganz
anders zu beurteilen, wenn der Dienstschuldner ein Diener als wenn er ein freier Arbeiter
ist; um dies richtig zu würdigen, muß man natürlich Diener und freie Arbeiter von gleicher
sozialer Stellung miteinander vergleichen, also z. B. den angestellten Kammerdiener mit dem
freien Lohndiener, den angestellten Kommis mit dem freien Agenten, den angestellten Leib-
arzt mit dem freien Hausarzt.
5. Andre Besonderheiten gelten für Geschäftsbesorgungsverträge.
a) Der Dienstschuldner muß sich bei Besorgung des ihm aufgetragenen
Geschäfts streng an die Anweisungen des Dienstempfängers halten.“ Und zwar
muß er die Anweisungen positiv befolgen, wenn sie im Dienstvertrage vor-
behalten oder üblich sind. Andern Anweisungen kann er dagegen die Folge
versagen, muß dann aber regelmäßig die Besorgung des Geschäfts ganz unter-
lassen und dies dem Dienstempfänger mitteilen. Der Dienstschuldner ist auch
an Anweisungen gebunden, die zweckwidrig sind oder die Interessen des Dienst-
empfängers geradezu schädigen. Denn er ist nicht der Vormund des Dienst-
empfängers. Nur dann gilt eine Ausnahme, wenn der Schuldner den Um-
ständen nach annehmen darf, daß der Dienstempfänger bei Kenntnis der Sach-
lage die Anweisung abändern werde; doch muß er dem Dienstempfänger zuvor
Anzeige machen und dessen Entschließung abwarten, es sei denn, daß mit dem
Aufschube Gefahr verbunden ist (665, 675).
Beispiel. I. Rechtsanwalt A., der für B. gegen C. einen Prozeß führt, wird von B.
angewiesen, einen Vergleichsvorschlag zu machen, der den C. mit allen Prozeßkosten belastet,
sonst aber sehr günstig für ihn ist. Hier muß A. gehorchen, mag er auch sicher sein, den
Prozeß gegen C. glänzend zu gewinnen, und mag er auch wegen seines Ansehns als An-
walt den Vergleich persönlich verwünschen. II. 1. Derselbe Fall; nur geht B.s Anweisung
dahin, daß A. persönlich zu C. gehn und den Vorschlag mündlich machen soll. Hier braucht
A. nicht zu gehorchen; denn dieser Auftrag ist unüblich. Dann darf er aber im Termin
tags darauf nicht Verurteilung des C., sondern nur Vertagung beantragen. 2. Ehe Al. sich
über die Anweisung zu 1 schlüssig wird, macht C.3 Anwalt D. seinerseits einen Vergleichs-
vorschlag mit einstündiger Bedenkzeit, der den C. nur mit 9/16 der Kosten belastet, dennoch
5°) Siehe aber RG. 56 S. 150.