Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 258. Verpflichtung aus der Inhaberschuldverschreibung. 395 
folgt noch nicht, daß er auch sicher ist, in jenem Prozeß den Beweis dafür erbringen zu 
können; denn eine Tatsache wissen und sie beweisen können sind sehr verschiedene Dinge. 
4) Hat der Aussteller selber die Urkunde in seiner Inhabung — sei es, 
daß sie aus dieser seiner Inhabung noch nicht hinausgelangt, sei es, daß sie 
wieder darein zurückgelangt ist — und ist außerdem der Aussteller allein zur 
Verfügung über sie berechtigt, so steht ein Forderungsrecht aus der Urkunde 
niemandem zu: die Urkunde ist also in dieser Zeit schuldrechtlich ohne Wir- 
kung. Das nämliche ist der Fall, wenn sich die Urkunde in niemandes In- 
habung befindet und niemand oder nur der Aussteller über sie zu verfügen 
berechtigt ist. 
Beispiel. A. veräußert eine von ihm rechtmäßig erworbene Inhaberschuldverschreibung 
über 1000 Mk. an den Aussteller B. Hier bleibt die Urkunde als solche in Kraft, was sich 
z. B. darin praktisch zeigt, daß B. sie ohne nochmalige Staatsgenehmigung von neuem aus- 
geben kann. Dagegen ist eine Forderung aus der Urkunde zurzeit nicht vorhanden, da B. 
nicht sein eigner Gläubiger sein kann. 
II. 1. Der Inhalt und Umfang des Forderungsrechts aus der Inhaber- 
schuldverschreibung ist in erster Reihe aus dem Text der Urkunde zu entnehmen, 
während Erklärungen des Ausstellers, die er außerhalb der Urkunde abgegeben 
hat, — sei es einseitig, sei es durch eine mit irgendeinem Erwerber der Ur- 
kunde getroffene Vereinbarung — höchstens einen Einwand gegen die For- 
derung und auch dieses nur gegenüber einer engbegrenzten Reihe von Gläu- 
bigern begründen können (s. unten zu III, 2). Mit Rücksicht hierauf pflegt man 
die Forderung aus einer Inhaberschuldverschreibung auch Skripturobli- 
gation zu nennen. 
Beispiele s. unten S. 397. 
2. Neben den vom Aussteller selbst im Text der Urkunde getroffenen Be- 
stimmungen sind für die Forderung aus einer Inhaberschuldverschreibung fol- 
gende gesetzliche Sonderregeln maßgebend. 
a) Der Schuldner braucht, wenn die Urkunde auf eine Geldzahlung ge- 
richtet ist, das Geld dem Gläubiger nicht zuzusenden, da er nicht wissen kann, 
wo der jeweilige Gläubiger wohnt, sondern darf abwarten, daß der Gläubiger 
das Geld holt: Schulden aus Inhaberschuldverschreibungen sind Holschulden! 
Die Abholung muß, wenn die Urkunde nichts andres bestimmt, an dem Ort 
erfolgen, wo der Schuldner zur Zeit der Ausstellung seinen Wohnsitz oder seine 
geschäftliche Niederlassung hatte. 
b) Der Gläubiger kann die Forderung nur unter Vorlegung (Präsen- 
tation) der Urkunde geltend machen. Erfolgt die Erfüllung, so muß er die 
Urkunde dem Schuldner Zug um Zug zurückgeben; mit der Zurückgabe geht 
das Eigentum der Urkunde auf den Schuldner über (797); dementsprechend 
pflegt man die Erfüllung der Forderung auch als „Einlösung“ der Urkunde 
zu bezeichnen. Doch gilt eine Ausnahme,
	        
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