870 Buch VIII. Abschnitt 5. Vermächtnisse und Auflagen.
b) Die Regel zu a erleidet eine Anderung, wenn das Vermächtnis auf.
schiebend bedingt oder befristet ist und beim Tode des Erblassers die Bedingung
noch schwebt oder der Anfangstermin noch aussteht: der Anfall des Vermächt-
nisses wird hier, wie der einer Nacherbschaft, bis zu der Erfüllung der Be-
dingung oder dem Herankommen des Anfangstermins hinausgeschoben (217.
2. à) Der „Anfall" des Vermächtnisses bedeutet, daß das Recht des Ver-
mächtnisnehmers aus dem Vermächtnis „zur Entstehung kommt“ (2176). Vor
dem Anfall ist also der Vermächtnisnehmer rechtlos.
Beispiel. A., der dem B. eine Uhr vermacht hat, ist später wegen Geisteskrankheit
entmündigt. Hier kann er das Vermächtnis nicht widerrufen; wohl kann er es aber dadurch
unwirksam machen, daß er die Uhr absichtlich zerstört: B. hat hier weder bei Lebzeiten A#
noch nach dessen Tode einen Anspruch auf Schadensersatz, selbst wenn A. bei der Zerstörung
der Uhr im Vollbesitz seiner Geisteskräfte gewesen ist.
b) Doch gilt eine Ausnahme, wenn der Anfall des Vermächtnisses bis
zur Erfüllung einer Bedingung oder dem Herankommen eines Anfangstermins
hinausgeschoben wird: hier wird dem Vermächtnisnehmer in der Zeit zwischen
dem Tode des Erblassers und dem Anfall zwar nicht das volle Recht, aber doch
ein Vor-Recht, nämlich eine aufschiebend bedingte Forderung aus dem Vermächtis
zugestanden (2179). Der Vermächtnisnehmer kann demgemäß, wenn der Be-
schwerte in dieser Zwischenzeit die Erfüllung des Vermächtnisses schuldhaft un-
möglich macht, Schadensersatz fordern, er kann im Konkurse des Beschwerten
Sicherstellung verlangen usp. Das Vor-Recht ist veräußerlich, pfändbar und
möglicherweise (s. oben § 430 V, 1 a) auch vererblich.
II. Das Recht des Vermächtnisnehmers aus dem Vermächtnis kommt
durch dessen Anfall nicht endgültig zustande. Vielmehr folgt auf den Anfoll
eine Schwebezeit, während deren der Vermächtnisnehmer sich frei darüber ent-
scheiden kann, ob er das Vermächtnis behalten oder den Vermächtniserwerb
rückgängig machen will: die erstere Entscheidung heißt „Annahme“, die letztere
„Ausschlagung“ des Vermächtnisses.
1. Die Annahme und Ausschlagung unterliegt beim Vermächtnis den
gleichen Regeln wie bei der Erbschaft in folgenden Beziehungen.
a) Die Ausschlagung bedarf, wenn sie durch den Vormund, und regel-
mäßig auch, wenn sie durch die Eltern des Vermächtnisnehmers erfolgt, der
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (1822 Nr. 2, 1643 II).
Zur Annahme und Ausschlagung eines einer Ehefrau angefallenen Vermächtnisses ist
nur die Ehefrau, nicht der Ehemann, zur Annahme und Ausschlagung eines einem Ge-
meinschuldner vor der Konkurseröffnung angefallenen Vermächtnisses ist nur der Gemein-
schuldner, nicht der Konkursverwalter zuständig (1406, 1453; KonlOrdn. 9).
b) Die Annahme und Ausschlagung ist unwirksam, wenn sie auf einen
Teil des Vermächtnisses beschränkt ist (2180 III, 1950).
Tc) Die Annahme und Ausschlagung ist unwirksam, wenn sie unter einer
Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgt (2180 II Satz 2).