IV Vorwort.
zur Sprache kommen werden, die Augen der gesamten gebildeten
Welt in einem weit höheren Grade, als es sein räumlicher
Umfang erwarten läßt, auf sich gezogen. Darum haben wir,
indem wir den Leumund der Sachsen feststellen, sehr viel Seugen
aus allen Seiten und Sungen abzuhäören.
Dies zu thun, ist eine Arbeit, welche die Mühe lohnt.
Denn es ist klar, daß andrer Augen oft in unsern Angelegen-
heiten besser sehen als unfre eignen. Wenn wir daher auch
die Urteile Fremder über unser Land und Dolk durchaus nicht
für unfehlbar erachten dürfen, da sie Sufälliges für wesentlich
halten, vorgefaßte Mkeinungen mitbringen, für sich selbst ein-
genommen und auf uns neidisch sein können, so ist es doch
immer angebracht, daß wir selbst uns prüfen und fragen, ob
sie nicht, weil unbefangener, darum richtiger über uns urteilen
als wir selbst. Sie können uns sowohl auf Fehler aufmerksam
machen, die wir gar nicht bemerken, als auch hohe Dorzüge uns
zeigen, deren wir uns noch gar nicht recht bewußt geworden sind;
denn Selbsterkenntnis ist und bleibt etwas ungemein Schweres.
Ein solches Derhör nun gerade in einem Jubeljahre vor-
zunehmen, würde unangebracht sein, wenn man fürchten müßte,
daß das Ergebnis die freudige Stimmung gar zu sehr nieder-
drücken würde. Das aber ist, Gott sei Dank, nicht der Fall:
denn wenn wir auch durch die oft recht scharfen Bemerkungen
der Fremden auf Schattenseiten im Tharakter unfres Dolkes
aufmerksam gemacht werden, so ist doch im allgemeinen das
Bild, welches sie von uns haben, ein entschieden günstiges. So
bereiten sie uns denn die hohe Festfreude, daß „uns ein andrer
lobt und nicht unser Mund, ein Fremder und nicht unfre eignen
Lippen“ (Spr. Sal. 27. 2).
Ceipzig, im Mai 1889.
Der Verfafeer.