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Ein sehr günstiges Seugnis stellt eine aus Tkorddeutsch-
land nach Leipzig gezogene Dame der Leipziger Straßenjugend
aus, im Leipziger Tageblatt vom Ir. Alärz 1880 IV. Beilage.
Sie sagt: „Einen Beweis von häöflichkeit, ja selbst von ritter-
licher Gesinnung bei einem Straßenjungen — jenes Wort hier
angewendet, mag seltsam scheinen, und ist doch vollauf berech-
tigt — fand ich in einem kleinen Dorgange, der mir wohl nie
aus dem Gedächtnis schwinden wird.
„Auf einem Spaziergange im Bosenthale traf ich zwei
vielleicht zehn= und zwölfjährige Knaben, denen die Armut
nicht nur an den bloßen Füßen abzulesen war, sondern aus
jeder verschlissenen Taht ihrer dürftigen Kleidung, aus jedem
Guge ihrer kränklichen, fahlen Gesichter sprach. Der eine von
ihnen trug am Arme einen Korb mit Rosen, die er wohl den
Spaziergängern zum Ulauf anbot, des zweiten Hand umspannte
ein Bündel Schilfstengel mit den daran haftenden braunen
Blütenkolben. Ich hatte dies phantastische Gewächs seit
langen, langen Jahren nicht gesehen, und eine plötzlich auf-
tauchende Srinnerung an selige lindertage, denen jede der
kleinen Hand nur irgend erreichbare Gabe der Tlatur, jede
seltene Oflanze, jeder absonderliche Stein zum froh begrüßten
Spielzeuge wird, erweckte in mir den Wunsch nach einem sol-
chen Kolben. Ich sprach den Knaben darum an, und er
reichte mir gleich deren eine größere Anzahl hin: „Ja, nehmen
Sie nur, ich habe noch genug, kriege auch wieder mehr.“
Mit zweien war ich zufrieden und zog dann mein Hortemon=
naie, um ihm eine kleine Spende dafür zu geben. Fünfund-
zwanzig Ofennig waren's, der Unabe aber weigerte sich, sie zu
nehmen, und verstand sich erst dazu, als ich ihm sagte: Mun