Full text: Der Leumund der Sachsen

Der Staat. 49 
„Aus der Menge von schriftstellerischen Erzeugnissen, die in Leipzig 
verkauft werden), kann man abnehmen, wieriel Leser die deutschen Bücher 
haben; die Arbeiter aller Mlassen, selbst die Steinmetzen ruhen sich von 
ihrer Arbeit mit einem Zuche in der Band aus. Man kann sich in Frank- 
reich keine Vorstellung davon machen, bis zu welchem Grade die Auf- 
klärung in Deutschland verbreitet ist. Ich habe Gastwirte und Thaussee. 
geldeinnehmer gesehen, welche die französische Litteratur kannten. — 
Allenthalben gibt es in ganz kleinen Städten sehr bedeutende Männer der 
Wissenschaft; aber außer um ihre Studien kümmern sie sich um nichts in 
der Welt, die Ode und Leere des gesellschaftlichen Lebens läßt sie die 
Gurückgezogenheit lieben. 
„Die unbeschränkteste Hreßfreiheit herrscht in Sachsen, aber sie hatte für 
die Regierung bisher keinerlei Gefahr, da der Geist der Gelehrten sich nicht 
der Beurteilung politischer Einrichtungen zuwandte; die Einsamkeit bringt 
es mit sich, daß man sich dem reinen Erkennen oder der Dichtkunst zu- 
wendet; man muß im Brennpunkte der menschlichen Leidenschaft leben, um 
das Bedürfnis, sich ihrer zu bedienen und sie zu lenken, zu empfinden. 
Obgleich also die sächsische Regierung der Verfassung nach nicht frei, sondern 
durch landständische Dertretung beschränkt war, so war sie doch in dei That 
frei, nämlich durch die Gewohnheiten des Landes und durch die maßvolle 
Haltung der Fürsten. — 
„Sachsen befand sich im Sustande völligster Ruhe; man machte wohl 
im Kande einige Male Lärm um gewisser Ideen willen, aber ohne an ihre 
Anwendung auf das wirkliche Leben zu denken. Es schien, als ob man sagen 
wollte, daß Denken und Handeln gar nichts miteinander zu thun haben. 
Die Wahrheit ähnelt bei den Deutschen den Hermen, welche weder Hände, 
um etwas zu ergreifen, noch Füße, um vorwärts zu schreiten, haben. Trotz- 
dem gibt es nichts Achtungswerteres als diese friedlichen Eroberungen des 
Gedankens, welche vereinsamte, vermögens- und machtlose, nur durch die 
gemeinsame Geistesarbeit untereinander verbundene Menschen unausgesetzt 
beschäftigen. 
*) Urteilen die Zuchhändler heute noch ebensod 
Der Leumund der Sachsen. 4
	        
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