II. Reichsgesetzgebung. Art. 3. 93
S. 45 in der Fassung der Novelle v. 6. Mai 1880 R.GG.Bl. S. 105, daß
für die Gestellung wie für die Heranziehung zum Militärdienst nicht die
Staatsangehörigkeit, sondern der dauernde Aufenthaltsort und in Ermangelung
eines solchen der Wohnsitz maßgebend ist. Zwischen dem Ort des dauernden
Aufenthalts und dem Ort der ständigen Niederlassung, der nach § 7 B.G. B.
den Wohnsitz bezeichnet, wird in tatsächlicher Beziehung kaum ein Unter-
schied festzustellen sein. Doch ist die Unterscheidung von praktischer Be-
deutung, wenn — wie bei der Gestellung meistens und bei der Heran-
ziehung zum Militärdienst oft der Fall sein dürfte — es sich um Minder-
jährige handelt, für deren Wohnsitz die Bestimmungen der §8§ 8, 11 B. G. B.
gelten, sodaß also gegebenenfalls dann der Wohnsitz des Vaters maß-
gebend ist.
VIII. Der gleichmäßige Schutz der Deutschen gegenüber dem Anslande.
Daß der Schutz der Deutschen gegenüber dem Auslande Reichssache
ist, geht aus Art. 4 Ziff. 7 R.V. hervor. Durch Art. 3 Abs. 6 soll, wie
sich aus dem Zusammenhange mit den anderen Bestimmungen des Art. 3
ergibt, nur zum Ausdruck gebracht werden, daß der Schutz, auf den alle
Deutschen dem Ausland gegenüber Anspruch haben, gleichmäßig sein muß,
d. h. es darf keine Bevorzugung eines Bundesstaates und seiner Angehörigen
stattfinden. Die Gleichmäßigkeit der Behandlung ist dadurch genügend
gewährleistet, daß für die Vertretung der Deutschen im Auslande entweder
vom Reich oder — ausnahmsweise — von der Regierung des Staates,
dem der schutzbedürftige Deutsche angehört, gesorgt wird. Art. 8 Abf. 6
soll aber ebensowenig wie Art. 4 Ziff. 7 zum Ausdruck bringen, daß das
Reich ausschließlich zum Schutz der Deutschen im Auslande zuständig ist.
Die Einzelstaaten haben das Recht Landesgesandte anzustellen, denen der
Schutz und die Vertretung der Angehörigen ihres Staates in erster Reihe
obliegt. Eine besondere Anerkennung hat die Zuständigkeit der Regierungen
der Einzelstaaten für auswärtige Angelegenheiten durch § 3 Abs. 2 des
Gesetzes betr. die Organisation der Bundeskonsulate v. 8. Nov. 1867
B. G. Bl. S. 137 gefunden, dessen § 3 Abs. 2 bestimmt:
„In besonderen, das Interesse eines einzelnen Bundesstaates oder ein-
zelner Bundesangehöriger betreffenden Geschäftsangelegenheiten berichten
sie (die Konsuln) an die Regierung des Staates, um dessen besonderes
Interesse es sich handelt oder dem die beteiligte Privatperson angehört;
auch kann ihnen in solchen Angelegenheiten die Regierung eines Bundes-
staates Aufträge erteilen und unmittelbare Berichterstattung verlangen."
Die Regierungen der Einzelstaaten können also gerade in solchen An-
gelegenheiten, bei denen es sich um den Schutz ihrer Staatsangehörigen dem
Auslande gegenüber handelt, stets eingreifen. Aber Art. 3 Abs. 6 gibt
ihnen das Recht zu verlangen, daß auch das Reich mit seinen diploma-
tischen und nötigenfalls mit den militärischen Machtmitteln zu ihren
Gunsten einschreite; vgl. Laband I S. 140. »
Selbstverständlich liegt die Entscheidung darüber, welche Mittel zum
Schutz der bedrohten Interessen anzuwenden sind, lediglich in dem freien,
durch keine Verfassungs= oder sonstige gesetzliche Bestimmung beschränkten
Ermessen der zuständigen Reichsbehörden.